Kinderfrei
Erwerbstätigen, gesteigert werden könnte. Und es könnte mit einem Schlag viel Geld in die Rentenkassen gespült werden, wenn endlich alle Arten von Einkommen zur Finanzierung der Renten herangezogen würden. Hier liegt eine riesige Chance, wie die niedrigen Geburtenzahlen zu mehr Verteilungsgerechtigkeit beitragen können. Wie bereits angesprochen, ist die umlagefinanzierte Rente nicht von der Anzahl der Beitragszahler abhängig, sondern davon, wie viel Wohlstand erwirtschaftet und wie dieser verteilt wird. Am Wohlstand hapert es nicht, wohl aber an der Verteilung. Seit den 1980er-Jahren blieben die Lohnsteigerungen meist hinter den Produktivitätszuwächsen zurück, demgegenüber sind Kapitaleinkünfte überproportional gestiegen. Dadurch ist der Anteil des Einkommens aus abhängiger Beschäftigung am Volkseinkommen gesunken: von 75% 1980 auf 66% 2002. Die hohen Kapitaleinkünfte jedoch werden nicht nur völlig unzureichend besteuert, sondern leisten auch keinen Beitrag zur Finanzierung der Sozialkassen. Ausgenommen von der Sozialversicherungspflicht sind außerdem Selbstständige, Freiberufler und Beamte. Und schließlich werden aus völlig unverständlichen Gründen Angestellte mit hohen Gehältern durch die Beitragsbemessungsgrenze in viel zu geringem Ausmaß an der Abgabenlast beteiligt. Die Finanzierung der Sozialsysteme bleibt so im Großen und Ganzen an Arbeitnehmern mit niedrigen und mittleren Einkünften hängen.
Diese ungerechte Verteilung werden wir uns in Zukunft hoffentlich nicht mehr leisten können. Arbeitnehmer müssen ihren angemessenen Anteil an der Produktivitätssteigerung erhalten, damit ihre Abgabenlast nicht unverhältnismäßig ansteigt. Wir sollten es uns auch nicht mehr erlauben, hohe Einkommen und ganze Einkommensarten von der Beitragspflicht auszunehmen. Also weg mit der Beitragsbemessungsgrenze und Aufnahme der Beamten, Selbstständigen und Freiberufler in die gesetzliche Sozialversicherung. Und schließlich wäre es langsam an der Zeit, auch auf Kapitaleinkünfte und Mieteinnahmen Sozialversicherungsbeiträge zu erheben.
Durch die zurückgehende Bevölkerung und die geringere Anzahl an Kindern und Jugendlichen werden nicht unerhebliche Summen für Familienleistungen, Infrastruktur und Gesundheitskosten eingespart. Die so freigewordenen Mittel können investiert werden, um die Lebensqualität aller Bürgerinnen und Bürger zu steigern. Hierzu gehören auch Investitionen in neue Technologien. Denn, wie der britische Ökonom Phil Mullan in seinem Buch The Imaginary Time Bomb darlegt, »Wachstumsraten stehen nachweislich in keinem Zusammenhang mit dem Altersprofil einer Nation. Die Erzeugung von Wohlstand hat weder etwas mit dem Durchschnittsalter einer Bevölkerung noch mit demografischen Relationen zu tun. Im Gegensatz dazu wirkt sich der Einsatz oder fehlende Einsatz neuer Technologien massiv auf die Produktivität aus.« 126
› Hinweis
Das ist wenig überraschend, immerhin schneiden Länder mit einer höheren Altersstruktur regelmäßig wirtschaftlich besser ab als Länder mit einer jüngeren Bevölkerung. Bisher konnte, so Mullan, niemand überzeugend erklären, warum die Alterung einer Bevölkerung in finanzieller Hinsicht so eine gravierende Belastung darstellen soll.
Überhaupt ist es eine verzerrte Wahrnehmung, ältere Menschen nur als Kostenfaktoren zu betrachten, und obendrein eine ziemliche Unverschämtheit gegenüber den Generationen, die den Wohlstand in diesem Land überhaupt erst erwirtschaftet haben. Im Gegensatz zu Kleinkindern leisten ältere Menschen einen erheblichen Beitrag zur Gesellschaft. Zahlreiche Menschen sind auch mit 70 oder 80 noch körperlich fit, verfügen über eigenes Einkommen, unterstützen ihre Kinder, indem sie sich z. B. um die Enkel kümmern (und so in vielen Fällen die Berufstätigkeit von Müttern überhaupt erst ermöglichen) und/oder engagieren sich ehrenamtlich. In vielen Fällen greifen sie auch ihren Kindern finanziell unter die Arme. Bis durchschnittlich zum Alter von 75 Jahren wird finanzielle Unterstützung von den älteren Generationen an die jüngeren Generationen geleistet, nicht andersherum. 127
› Hinweis
Nicht unerwähnt bleiben sollte schließlich ein weiterer Vorteil einer älteren Bevölkerung: Die Studie »Global demographic trends and future emissions« kam zu dem Ergebnis, dass die Alterung einer Bevölkerung zu geringeren CO2-Emissionen führt. 128
› Hinweis
Ein interessanter Aspekt, bedenkt man, dass die
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