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Kinderstation

Kinderstation

Titel: Kinderstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ein starkes Band – Frau Bramcke blieb also bei ihrem ›spinnenden‹ Mann, wie sie Bramcke nannte, haßte Bruno (und Bruno haßte Frau Bramcke), und es war abzusehen, daß die letzten Jahre der Bramckes nicht mehr langweilig sein würden, sondern turbulent wie in den besten Zeiten.
    »Das erhält jung!« sagte Bramcke einmal wohlgefällig zu Dr. Wollenreiter. »Sie sollen mal sehen, wie flott meine Alte wird, wenn ich Bruno frei in der Wohnung herumlaufen lasse.«
    Dr. Julius war a.o. Professor für Chirurgie geworden. In seine Vorlesungen drängten sich die Studenten. Jede Woche operierte er als Gast in der Kinderklinik ›Bethlehem‹ und war glücklich, wenn er wieder durch die vertrauten Flure und Zimmer ging, die alten Gesichter der Schwestern sah, die neuen jungen Ärzte begrüßte und ihnen Ratschläge gab oder Wollenreiter schon von weitem hörte, wenn dieser mit knallender Stimme seine giftigen Kommentare gab.
    Kurz vor Weihnachten heirateten Renate Vosshardt und Professor Dr. Julius. Es war fast ein akademisches Fest … von dem Spalier der Ärzte vor der Kirche angefangen bis zum Fackelzug, den ihm seine Studenten vor dem Haus brachten.
    Auch eine kleine Gratulantin war gekommen und balancierte einen großen Blumenstrauß in den dünnen Händchen. Um den Hals trug sie ein großes Schild. Ein rotes Herz, in dem geschrieben stand:
    Maria Ignotus gratuliert ihrem Onkel Doktor.
    Gerührt nahm Renate sie auf den Arm, und so durchschritten sie das Spalier von der Kirchentür bis zu der Hochzeitskutsche mit den beiden Schimmeln. Selbst Dr. Wollenreiter kaute an der Unterlippe. Er hatte große Mühe, sein butterweiches Herz zu bezwingen und machte deshalb ein schrecklich finsteres Gesicht.
    Die Hochzeitsfeier fand in einem großen Hotel statt. Professor Karchow, Professor Hahnel, Wollenreiter, das Ehepaar Höllerer, Rentier Ernst Bergmann, Staatsanwalt Allach und sogar Nachtwächter Bramcke mit Frau waren zugegen, und selbst der Affe Bruno hockte an einer Kette in einer Ecke der Küche und fraß Bananen und eine Schüssel mit Götterspeise. In der Klinik ›Bethlehem‹ war an diesem Tag nur ein Notdienst eingerichtet.
    Landgerichtspräsident Dr. Prenneis hielt einen Toast auf Professor Karchow, Karchow antwortete mit einer Laudation auf Professor Julius, Dr. Wollenreiter erzählte Anekdoten aus der Klinik, man lachte lauthals und kam in eine ausgelassene Stimmung.
    Als der Sekt eingeschenkt war, trat der Geschäftsführer an den großen Hufeisentisch heran und beugte sich zum Ohr Dr. Wollenreiters hinab.
    Nach ein paar Worten wurde Wollenreiter bleich und sprang auf. »Das darf doch nicht wahr sein!« schrie er. »Herr Professor –«
    Karchow sprang ebenfalls auf. »Was haben Sie denn, Wollenreiter? Was ist denn los?«
    »Soeben läßt Oberschwester Angela anrufen.« Wollenreiter schluckte und strich sich die Haare aus der Stirn. »Die Nachtglocke hat geschellt, und als Schwester Angela öffnet, ist niemand da … aber vor der Tür liegt ein Säugling –«
    »Nein!« Professor Karchow ließ sich auf seinen Stuhl zurückfallen. »Wollenreiter. Sagen Sie, daß das ein fauler Witz ist!«
    »Leider nein.«
    »Soll nun alles wieder von vorn beginnen?« stöhnte Karchow.
    Professor Dr. Julius lächelte und winkte ab. »Denken Sie an den alten Ben Akiba, Herr Kollege. ›Es ist alles schon mal dagewesen‹, soll er gesagt haben.« Und zu Wollenreiter: »Was ist es denn? Junge oder Mädchen?«
    »Junge –«
    »Na also! Marius Ignotus! Wollenreiter, antreten zur Adoption!«
    Die Sektgläser hoben sich. Wollenreiter lachte mit und stieß reihum an. Dann entschuldigte er sich und fuhr zurück in die Klinik.
    Als sie endlich allein waren und die Hochzeitsgäste gegangen waren, als sie den Schleier abgelegt hatte und die erste Nacht eines gemeinsamen Lebens begann, standen Julius und Renate am Fenster und sahen hinaus über das verschneite Dächermeer der Stadt.
    »Woran denkst du?« fragte Renate und legte den Arm um seinen Hals.
    Dr. Julius lächelte und drückte Renate an sich.
    »An so vieles denke ich jetzt –«, sagte er leise, »aber das Schönste ist, daß wir leben. Wie wenig denken die Menschen an diese einfache Tatsache … vielleicht würde sonst vieles anders, menschlicher sein –«
    Es begann zu schneien … ein weißer Vorhang vor einem Fenster, hinter dem jetzt das Licht erlosch.
    Denn das Glück braucht keine künstliche Sonne.

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