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Kinderstation

Kinderstation

Titel: Kinderstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ermessen, was diese Trennung bedeutet«, sagte Karchow mit sichtlichem Stolz. »Wir haben monatelang diesen Eingriff vorbereitet, wir haben an Tieren jeden Handgriff hundertmal geübt, zuletzt an einem Affen mit Namen Bruno –«
    Er sagte ›wir‹ und fand das ganz selbstverständlich.
    Über den Namen Bruno lachten die Presseleute. Die Atmosphäre lockerte sich, Karchow begann in seiner gefürchteten Art zu plaudern, er flocht Witze in seinen Vortrag, Anekdoten, Aphorismen. Am Ende würde es heißen: Ein toller Bursche, dieser Karchow. Ein genialer Giftzwerg. Er wußte es, er förderte es und war glücklich darüber. Ruhm und Grobheit sind Schwestern und nicht zu trennen wie siamesische Zwillinge –
    Während vor der Presse das Bild einer bahnbrechenden chirurgischen Pioniertat entrollt wurde, während auf einer mit einem weißen Tuch bedeckten Schale die winzigen Instrumente, die Dr. Julius entwickelt und hergestellt hatte, herumgereicht wurden und sich die Zeitungsleute wunderten, wie man mit menschlichen, klobigen Fingern solche zarten Gebilde überhaupt anfassen und mit ihnen arbeiten konnte, schlug sich in der Klinik ›Bethlehem‹ Dr. Wollenreiter mit dem unglücklichen Vater Philipp Lehmmacher herum.
    Es war eine Fügung, daß gerade Wollenreiter zugegen war. Ein anderer Arzt, selbst Prof. Karchow, hätte diesen Sturm nicht so gelassen und nachher um so heftiger zurückblasend überstanden wie der eisenharte Wollenreiter.
    Erna Lehmmacher war zu Hause geblieben, nachdem man ihr den Tod des einen siamesischen Zwillings mitgeteilt hatte. »Ich habe es gewußt«, sagte sie ganz still und ohne Tränen. Sie hatte keine Tränen mehr, sie war ausgeweint, leer wie eine in der Sonne stehende Schale. »Ich bin glücklich, daß mir das andere Kind erhalten blieb. Ich will beten, daß es gesund und groß wird.«
    Philipp Lehmmacher betete nicht, er war auch nicht zufrieden. Er riß seinen Hut vom Haken und stürmte hinaus. In der Klinik verlangte er, mitten in der großen Eingangshalle stehend, mit brüllender Stimme und die Schwestern aufscheuchend, einen der ›Mörderärzte‹ zu sprechen.
    Schwester Angela rannte mit fliegenden Röcken zu Dr. Wollenreiter, der sich gerade umgezogen hatte, um ein Rendezvous mit der feschen Lisa Heintel wahrzunehmen.
    »Der schreckliche Mensch ist wieder da!« stöhnte Schwester Angela. »Der Vierlingsvater! Er brüllt in der Halle unflätige Worte.«
    Dr. Wollenreiter zog seinen Sommermantel wieder aus. Er griff nach seinem weißen Kittel, denn ein weißer Kittel ist für den Laien immer so etwas wie die Uniform einer achtungsgebietenden anderen Welt.
    »Erstens ist der Lehmmacher nicht schrecklich, sondern ein Rindvieh, Schwester«, sagte Wollenreiter gemütlich. »Und zweitens wird der Wortschatz seiner unflätigen Schreie nicht so groß sein wie meiner.«
    »Davon bin ich überzeugt« antwortete Schwester Angela. »Darum rufe ich Sie ja auch zur Hilfe –«
    In der Halle stand wirklich Philipp Lehmmacher, in weitem Kreis umringt von Lernschwestern und erschütterten oder amüsierten Besuchern, und gab lauthals seine Meinung kund.
    »Ich habe immer gewarnt, ich war immer dagegen! Aber sie wußten alles besser! Und nun ist mein Kind tot. Mein armes, kleines Kind! Hingemordet mit dem Messer! Hätte man sie zusammengelassen, würden sie weitergelebt haben. Aber nein, man wollte operieren! Ich betone nochmal: Ich war dagegen. Ich war immer dagegen –«
    Dr. Wollenreiter trat in den Kreis der Zuhörer.
    »Ich wußte nicht, daß Sie Politiker sind, Herr Lehmmacher!« unterbrach er den Redeschwall. Philipp holte tief Atem.
    »Wieso?« brüllte er.
    »Weil Sie immer betonen: Ich war dagegen! Das sind Worte von Abgeordneten oder Gewerkschaftlern! Haben Ihnen die Vierlinge vielleicht einen Platz im Gemeinderat verschafft? Experte für Bevölkerungspolitik sind Sie nun mal –«
    Die Umstehenden lachten laut. Philipp Lehmmacher wurde rot und streckte kampfeslustig den Kopf vor.
    »Herr Doktor –«, schrie er.
    »Bitte. Zu Diensten! Kommen Sie bitte mit.«
    »Mein Kind ist tot!«
    »Das haben Sie ja nun lange und laut genug verkündet. Aber ich glaube, daß es selbst nicht in Ihrem Sinne ist, wenn ich Ihnen mein Beileid aussprechen würde. Ein vom Verlust seines Kindes niedergedrückter Vater benimmt sich anders.«
    Lehmmacher schwieg. Er sah sich um. Er sah in belustigte, spöttische, anklagende Augen. Nirgendwo aber fand er Mitgefühl, Mitleid, Verständnis. Da wandte er sich mit einem

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