Gefallene Engel
1
Ich lernte Jan Schneider in einem Orbitalkrankenhaus des Protektorats kennen, dreihundert Kilometer über den zerrissenen Wolken von Sanction IV und unter großen Schmerzen. Genau genommen hätte das Protektorat im Sanction-System überhaupt nicht vertreten sein dürfen. Was noch von der planetaren Regierung übrig war, verkündete mit lauter Stimme aus den Bunkern, dass es sich um eine innere Angelegenheit handelte, und die lokalen Konzerne hatten sich stillschweigend damit einverstanden erklärt, vorläufig auf dieser gepunkteten Linie zu unterschreiben.
Folglich waren die Schiffe des Protektorats, die im System herumhingen, seit Joshua Kemp seine Flagge der Revolution in Indigo City gehisst hatte, mit neuen Erkennungscodes ausgestattet worden. Praktisch hatten verschiedene der involvierten Firmen sie auf der Basis langfristiger Leasingverträge aufgekauft und sie dann wieder der kampfbereiten Regierung ausgeliehen, auf der Grundlage des – steuerlich absetzbaren – planetaren Entwicklungsfonds. Jene Schiffe, die nicht durch Kemps überraschend wirksame, aus zweiter Hand erworbene Marauderbomben vom Himmel geholt wurden, verkaufte man anschließend an das Protektorat, bevor die Leasingfrist abgelaufen war, und jeglicher Verlust ließ sich daraufhin ebenfalls von der Steuer absetzen. Überall nur saubere Hände. Unterdessen wurde das höher gestellte Personal, das im Kampf gegen Kemps Truppen verletzt wurde, aus der Gefahrenzone geflogen, und dieser Punkt war für mich der wichtigste Faktor gewesen, als ich mich für eine Seite entschied. Es sah nach einem sehr schmutzigen Krieg aus.
Das Shuttle lud uns direkt auf dem Hangardeck des Krankenhauses aus, mittels einer Vorrichtung, die einem riesigen Patronengurt nicht unähnlich war. Die kapselförmigen Bahren wurden ohne weiteres Aufhebens ausgespuckt. Ich konnte immer noch hören, wie das schrille Heulen der Schiffstriebwerke erstarb, als wir ratternd über den Flügel auf das Deck rollten. Und als die Leute meine Kapsel aufbrachen, drang mir die Luft aus dem Hangar brennend in die Lungen, zusammen mit der Kälte des kürzlich verdrängten Weltraumvakuums. Sofort bildete sich eine dünne Schicht aus Eiskristallen auf allem, einschließlich meines Gesichts.
»Sie da!« Es war die Stimme einer Frau, die unter Stress stand. »Haben Sie Schmerzen?«
Ich blinzelte das Eis aus den Augen und blickte auf meinen blutverkrusteten Kampfanzug.
»Raten Sie mal«, krächzte ich.
»Sanitäter! Endorphinverstärkung und Antiviralinjektion.« Sie beugte sich wieder über mich, und ich spürte, wie ein Handschuh meinen Kopf berührte, während sie mir gleichzeitig die kalte Nadel der Spritze ins Genick stieß. Der Schmerz ließ rapide nach. »Kommen Sie von der Evenfall-Front?«
»Nein«, stieß ich mit Mühe hervor. »Von der Nordregion-Offensive. Wieso? Was ist in Evenfall passiert?«
»Irgendein verdammter Knallkopf hat gerade einen taktischen Nuklearschlag angeordnet.« In der Stimme der Ärztin lag kalte Wut. Ihre Hände bewegten sich über meinen Körper und untersuchten ihn auf Schäden. »Also kein Verstrahlungstrauma. Was ist mit Chemikalien?«
Ich deutete mit einem leichten Nicken auf das Revers meiner Jacke. »Da ist ein Messgerät. Das Ihnen alles verraten dürfte.«
»Es ist weg«, erwiderte sie. »Genauso wie der größte Teil der Schulter.«
»Oh.« Ich kratzte Worte zusammen. »Ich glaube, ich bin sauber. Können Sie einen Zellscan machen?«
»Nein, hier nicht. Die Scanner, die auf Zellniveau arbeiten, sind fest in den Krankenstationen eingebaut. Vielleicht kommen wir dazu, wenn wir für Sie da oben etwas Platz frei machen können.« Die Hände ließen mich los. »Wo ist Ihr Strichcode?«
»Linke Schläfe.«
Jemand wischte Blut von der bezeichneten Stelle, und ich spürte vage, wie der Laserstrahl über mein Gesicht strich. Eine Maschine zwitscherte ihr Okay, dann ließ man mich in Ruhe. Ich war verarbeitet.
Eine ganze Weile lag ich nur da und war zufrieden, dass die Endorphinverstärkung mir sowohl die Schmerzen als auch das Bewusstsein nahmen, alles mit der liebenswürdigen Eilfertigkeit eines Butlers, der einem Hut und Mantel abnahm. Ein kleiner Teil von mir fragte sich, ob der Körper, den ich trug, noch zu retten war, oder ob ich ein Resleeving benötigte. Ich wusste, dass Carreras Wedge mehrere kleine Klonbanken für das so genannte unverzichtbare Personal unterhielt, und als einer von nur fünf Ex-Envoys, die für Carrera
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