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Kindersucher - Kriminalroman

Kindersucher - Kriminalroman

Titel: Kindersucher - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grossman
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der Nacht, in der sie weggegangen sind, noch gesehen.« Bachmann genoss den Rest seiner Zigarre. »Er hatte immer noch Blut unter den Fingernägeln. Er sagte mir, Berlin wäre der einzige Ort, wo sie untertauchen könnten. Er meinte, Magda wäre vollkommen übergeschnappt und Ilse wäre nicht mehr zu kontrollieren. Er würde versuchen, eine Arbeit zu finden, um sie zu ernähren, vielleicht am Centralviehhof. Sie brauchten gefälschte Papiere und neue Identitäten. EineZurückstellung vom Kriegsdienst für ihn. Sie könnten sich all das leisten, sagte er, weil sie jetzt elfhundert Reichsmark hätten, aus dem Safe ihres Vaters.«
    »Aber wie können Sie sicher sein, dass sie tatsächlich nach Berlin gegangen sind?« Kraus musste einfach Gewissheit haben. »Sie sind nach Flandern geschickt worden, habe ich recht? Und wurden dort verwundet.«
    »Eines muss man Axel lassen.« Bachmann blies einen perfekten Rauchring. »Er war so treu wie ein Hund. Er hat mich besucht.«
    »Hier in diesem Krankenhaus?«
    »Er saß genau auf diesem Stuhl, Herr Kriminalsekretär.«
    »Wie lange ist das her?«
    »Es war während der Inflation. Ich kann mich noch schwach erinnern, dass er mir erzählt hat, die Bahnfahrkarte hätte ihn fünfzig Millionen Reichsmark gekostet. Das war vor wie viel Jahren, vor sieben? Ich schlag die Augen auf, und da war er. Groß wie ein Stier. Mit Armen so dick wie Baumstämme. Sagte, er würde jede Woche im Kraftraum Hunderte von Pfund stemmen. Er hätte nicht vor, meinte er, sich jemals wieder von irgendeinem Mistkerl unterkriegen zu lassen.«
    »Was hat er gemacht? Hat er am Viehhof gearbeitet?«
    »Magda hat dort gearbeitet. Sie hat sich als Mann ausgegeben. Ich musste wirklich lachen, als ich das gehört habe. Axel hatte etliche krumme Geschäfte laufen. Hat eine Art illegalen Markt geführt. Die Kleine hatte Verbindung zu einem Labor, in dem Hunde für Experimente verwendet wurden. Angeblich bezahlten sie dort fünf Mark pro Schwanz, also haben sie in ganz Berlin Hunde gestohlen. Können Sie sich das vorstellen? Dasselbe Labor hat ihnen dann weitere fünf Reichsmark bezahlt, damit sie die toten Hunde entsorgten. Eine Art Rundum-Service. Axel wollte mir nicht sagen, was sie mit den Kadavern anstellten, aber irgendwie hat er daraus wohl auch noch Profitgeschlagen. Er sagte mir, sie hätten noch nie besser gelebt. Sie hatten eine anständige Wohnung und genug zu essen. Dann machte er einen Scherz und meinte, wenn das Labor nur endlich Versuche an Menschen durchführen würde, dann könnte er wirklich einen Mordsgewinn machen.«

DREIUNDZWANZIG
    »Natürlich wäre das nett.« Vicki blätterte die Seiten ihres Magazins durch. »Eine Menge Sachen wären nett, Willi. Aber ein Monat in Amerika?« Sie richtete sich auf ihrem Strandstuhl auf und überzeugte sich davon, dass er die Jungs so im Auge behielt, wie er es sollte. »Wir alle vier? Also wirklich.« Sie lehnte sich mit einem Seufzer zurück. »Es kommt ja kaum vor, dass du auch nur mal einen Tag frei machst.«
    Kraus lag auf einem Handtuch zu ihren Füßen und holte tief Luft. Er konnte ihre Haltung zwar verstehen, aber sie gefiel ihm nicht sonderlich. Man kann es mir ja wohl kaum verübeln, ein bisschen zu träumen, dachte er, während er Sand durch die Finger rieseln ließ. Der Druck, unter dem er stand, war gnadenlos; ganz Berlin schien an ihm zu hängen und auf seinen großen Durchbruch zu warten. Außerdem waren die Jungs direkt vor ihnen, nicht einmal drei Meter entfernt, und bauten eine Sandburg. Obwohl nichts auch nur ansatzweise Gefährliches ihr heimisches Leben bedroht hatte, beharrte Vicki darauf, dass in jeder Sekunde eine tödliche Gefahr lauerte.
    Kraus sah sich an dem belebten Seeufer um und empfand erneut, wie so oft, einen winzigen Stich von Angst ... Aber nicht davor, dass einer der Köhlers auftauchen und ihnen die Kehlen durchschneiden könnte, sondern dass jemand ihn trotz seiner dunklen Sonnenbrille erkannte, womöglich, was Gott verhüte, ein Elternteil eines der ermordeten Kinder, und ihn fragte, was zum Teufel er hier am Strand zu suchen hatte, wenn doch der Kindermörder nach wie vor frei herumlief.
    Wenn er nur eine Maschine wäre. Dann müsste er nie ausruhen. Oder würde nie träumen.
    Es war das erste Wochenende im September, und ein angenehm kühler Wind wehte über die sonnige Badebucht am Wannsee. In dem riesigen, glänzenden See spiegelten sich weiße Federwolken. Dahinter kündeten vier neue Pavillons in sandfarbenen

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