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Kindersucher - Kriminalroman

Kindersucher - Kriminalroman

Titel: Kindersucher - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grossman
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Ziegelsteinen, in denen sich Geschäfte, Restaurants und Umkleidehallen befanden, von dem neuen internationalen Stil, der sich in Deutschland Bahn brach: die Vorherrschaft der Eleganz und Funktionalität. Die langen, flachen Dächer der Pavillons dienten außerdem als Sonnenterrassen, worüber sich Nationalisten als »un-deutsch« beschwerten. Für die Tausenden jedoch, die heute mit dem Wagen oder der S-Bahn hergekommen waren, schien das keine Rolle zu spielen. Eingerahmt von schattigen, grünen Wäldern auf der einen und zahllosen, über das schillernde Wasser gleitenden Segeln auf der anderen Seite zeigte dieser Badestrand am Wannsee Berlin von seiner großartigsten Seite.
    Kraus war vor einer Woche aus Niedersedlitz zurückgekehrt und bemühte sich, Magda Köhler zu erwischen – oder wie auch immer sie sich jetzt nannte. Von der Stelle ausgehend, wo er sie an jenem Nachmittag gesehen hatte, hatte er ihren Arbeitsplatz auf sechs mögliche Bereiche im Viehhof eingegrenzt, allesamt auf dem kleinen Weg, der so passenderweise Knochengasse genannt wurde. Er konnte nicht einfach hineinstürmen und diese Orte durchsuchen; ihm war klar, dass er sehr vorsichtig vorgehen musste. Die Lektion, die er aus Heilbutts Geschichte auf der Bremen gelernt hatte, war ihm noch gut in Erinnerung: Während der großen Inflation, während der sie Hundefleisch als Füllung für Wurst verscherbelt hatten, hatten die Köhlers immer gemerkt, wenn Ermittler auftauchten, und waren rasch verschwunden. Kraus hatte nicht vor, sie sich erneut durch die Lappen gehen zu lassen.
    Direktor Gruber unterstützte ihn, wenn auch zähneknirschend. Er versorgte Kraus mit Blaupausen, Karten, sogar Informanten.Aber er machte klar, dass er es für eine gewaltige Zeitverschwendung hielt. Solche Typen, wie Kraus sie beschrieb, konnten unmöglich in seinem Viehhof operieren, weil sein Viehhof viel zu gut kontrolliert wurde.
    Wann immer Kraus einen schwachen Moment hatte, fürchtete er, der Direktor könnte recht haben.
    Seit drei Tagen ließ er jetzt jeden Zentimeter der Knochengasse von Dächern und geparkten Lastwagen aus beobachten. Sogar von verdeckten Ermittlern innerhalb des Viehhofs. Ein Dutzend Männer hatten den Block umzingelt. Er war sogar so weit gegangen, Kundschafter zu örtlichen Gymnastikvereinen zu schicken, um dort nach Axel zu suchen. Bis jetzt hatte jedoch niemand irgendjemanden gesehen, der an einen der beiden riesigen Zwillinge erinnerte.
    War es bereits zu spät?
    Eines war klar: Die Blaupausen, die er von Gruber bekommen hatte, waren nutzlos. Neulich hatten Gunther und er noch vor Tagesanbruch einen Inspektionsgang unternommen, verkleidet als städtische Wasserinspektoren. Sie hatten die Hauptschlüssel des Viehhofs benutzt und alle sechs Geschäfte auf der Knochengasse betreten, angefangen mit der Knochenmühle der Gebrüder Lutz. Sie hatten sich mit Taschenlampen den Weg durch die von Knochensplittern übersäten Gänge des Geschäfts gebahnt, vorbei an riesigen Mahlwerken und Knochenhaufen, und waren schließlich über eine kurze Treppe in ein staubiges Untergeschoss voller Gerümpel hinabgestiegen. Aber ganz gleich, wie scharf sie auch suchten, sie hatten keine Spur von den Abwasserkanälen gefunden, die auf den Blaupausen eingezeichnet waren. In den Gelatinewerken Reiniger, bei Klebstoff Becker und bei den Borstenwerken Hansenclever war es dasselbe gewesen. Entweder stimmten die Blaupausen nicht, oder es hatte unterhalb des Straßenniveaus größere Umbauten gegeben.
    Kraus würde dieses Thema gleich am Montagmorgen mit Herrn Direktor Gruber besprechen.
    Kraus blickte auf die weißen Segel auf dem See und holte tief Luft. Die Jungs hatten eine ziemlich beeindruckende Sandburg gebaut. Im Stil von Antoni Gaudi, dachte er mit väterlichem Stolz. Vielleicht würden sie ja Architekten werden. Als er dann seinen Blick zurück zu den neuen Pavillons gleiten ließ, richtete er sich jedoch plötzlich ruckartig auf.
    »Vicki«, sagte er und kniff die Augen zusammen, um wirklich sicherzugehen, »pack die Sachen zusammen, Liebling.«
    Er sprang von seinem Handtuch auf und lief zu den Jungs. Selbst dieses luftige Idyll war nicht gegen den politischen Wirbelwind gefeit, der Deutschlands Hauptstadt zurzeit durchschüttelte. Je näher die Wahlen kamen, desto mehr hatte sich die Atmosphäre aufgeladen. Es verging kaum ein Tag ohne blutige Zusammenstöße zwischen Nazis und Kommunisten irgendwo in Berlin. Und Kraus hatte das Gefühl, dass diese

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