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Kindersucher - Kriminalroman

Kindersucher - Kriminalroman

Titel: Kindersucher - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grossman
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lag die Baustelle, wo der Jutesack aufgetaucht war. Freksa sollte sich besser beeilen und den Mistkerl finden, der diesen Sack gefüllt hat, dachte er, als er sich an die Bibliotheksnotiz über die völlige Verderbtheit erinnerte. Jemand, der fünf Kinder getötet hatte, würde auch noch weitere umbringen.
    Kraus drehte sich in den Novemberwind. Als er die breite Chaussee erreichte, fuhr ein Lastwagen nach dem anderen an ihm vorbei. Ein Zeitungsverkäufer bot seine Ware feil: »Gericht hält Wurstverbot aufrecht! Zwei weitere Todesopfer!« Unbewusst beschleunigte Kraus seine Schritte. Doch auf halbem Weg zur S-Bahn-Station wäre ihm fast schlecht geworden. Was für ein Gestank! Die Quelle lag links von ihm, in einer langen, dunklen Gasse zwischen Lagerhäusern, in denen sich Menschen und Handkarren drängten. Das war es also ... ein Markt der freien Händler. Er warf einen Blick auf seine Uhr. Ohne genau zu wissen, wonach er suchte, betrat er die stinkende Gasse.
    In seiner Zeit in Berlin war er bereits an erheblich gefährlicheren Orten gewesen als in dieser widerlich stinkenden Gasse. Der Gifthauch war fast sichtbar, ein dunkler, dampfender Nebel, der aus Dutzenden von Wannen und Fässern aufstieg, in denen Gott weiß was schwamm. Nichts deutete auf die stinkenden Inhalte dieser Behälter hin. Kraus konnte nur Vermutungen anstellen. Diese schlammigen Hügel, länglich und gummiartig, mussten irgendeine Art von Eingeweide sein. Die Fässer waren gefüllt mit dunkelroter Flüssigkeit – Blut. In Kisten stapelten sich haarige, rosafarbene Dinge – Ohren. Und was wieein Haufen von Glasmurmeln aussah, waren Augäpfel; woher sie stammten, konnte er nicht sagen. Die Frische der Ware war gelinde gesagt höchst zweifelhaft; die Händler hatten sie vom Viehhof auf der anderen Straßenseite fast geschenkt bekommen, manchmal sogar tatsächlich umsonst. So zweifelhaft die Produkte auch sein mochten, die Leute selbst sahen noch schlimmer aus. Instinktiv griff er in seine Jackentasche und berührte seine Brieftasche. Die verschlagen wirkenden Kunden waren alle schlecht gekleidet und stanken. Die Verkäufer waren noch schlimmer dran: Ihnen fehlten Zähne, Finger, Arme oder Beine.
    Und es gab so viele Kinder.
    Beim Anblick eines kleinen Jungen hinter einem offenen Fass schnürte sich Kraus die Kehle zu. Der Knabe war nicht viel älter als Erich, höchstens zehn Jahre alt. Warum war er nicht in der Schule? Kraus hatte seine eigene Kindheit niemals für besonders idyllisch gehalten; sein Vater war gestorben, als der kleine Willi neun gewesen war. Aber im Vergleich zu denen hier ... Mein Gott, wie viel Glück hatte er gehabt. Ebenso wie Erich und Stefan. Plötzlich sehnte er sich danach, sie in die Arme zu nehmen. Dieses Kind war in schmutzige Lumpen gekleidet und sah sich mit seinen dunklen Augen um, hoffte auf einen Glücksfall, so schien es, damit es seine Ware verkaufen und dieser elenden Höhle entkommen konnte. Doch kaum streifte der Blick des Jungen Kraus, da schlug er den Deckel auf sein Fass, und seine Miene wurde ausdruckslos, als wäre er taub und blind. Kraus wurde klar, wie fehl am Platz er in seinem grauen Anzug und dem Mantel, den Vicki ihm letztes Jahr in London gekauft hatte, wirken musste. Dann bemerkte er aus den Augenwinkeln, dass er sich plötzlich im Mittelpunkt des Interesses zu befinden schien. Ihm wurde klar, dass keiner dieser Verkäufer hier legal war.
    Plötzlich krampfte sich sein Magen zusammen. Direkt hinterdem Jungen lag ... ein Jutesack. Und der Aufdruck auf der Seite war klar zu erkennen: SCHNITZLER & SOHN.
    Kraus versuchte es mit einem Lächeln. »Willst du mir nicht erzählen, was du da anzubieten hast?«
    Der Junge tat, als hörte er ihn nicht.
    »Aber wie soll ich kaufen, wenn ich nicht weiß, was du verkaufst?« Kraus tat, als hätte man seine Gefühle verletzt.
    Die Antwort des hageren, kleinen Jungen war scharfsinniger, als ihm lieb war. »Wenn Sie hier wären, um zu kaufen, müssten Sie nicht fragen, Herr.«
    Kraus schluckte. Er spielte mit dem Gedanken, seine Dienstmarke herauszuholen und den Jungen dazu zu zwingen, ihm zu antworten, aber plötzlich ertönte hinter ihm eine barsche Stimme.
    »Wieso belästigen Sie den Jungen?«
    Langsam drehte sich Kraus um und fand sich Nase an Nase mit einer gewaltigen Kreatur wieder, die um etliches größer war als er selbst und dazu ein langes, scharfes Messer in der Hand hielt, das auf seinen Unterleib zielte. Kraus brach unter seinem Anzug der kalte

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