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Kindersucher - Kriminalroman

Kindersucher - Kriminalroman

Titel: Kindersucher - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grossman
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sehen. Dessen Konterfei erinnerte Kraus an jenen verrückten Mob im Sportpalast in der Nacht zuvor, und erneut überlief ihn ein Frösteln.
    Erst vorhin noch hatte er mitgehört, wie Müller und Stoss den jungen Gunther im Flur aufgezogen hatten, weil er für einen Juden arbeitete.
    »Schon mal in deine Brieftasche geschaut, bevor du nach Hause gehst, Junge? Vielleicht durchwühlt er ja deine Taschen.«
    Gunther hatte zwar nicht mitgelacht, aber er hatte Kraus auch nicht verteidigt.
    »Herr Kriminalsekretär!« Kai tauchte unvermittelt aus dem dunklen Türeingang des Pelzgeschäftes auf. Der Laden war leer, die Besitzer hatten aufgegeben.
    »Sie müssen mitkommen, bitte.« Kraus bemerkte, dass das Gesicht des Jungen unter dem Lippenstift und dem Make-up kalkweiß war.
    Der Junge führte ihn zur Ecke Leipziger und Charlottenstraße, im Herzen von Berlins Einkaufsviertel, und in ein teures Lederwarengeschäft. Kraus war einmal mit Vicki hier gewesen, als er nach einer Aktentasche gesucht hatte. Leder Schröder. Er sah sofort die anderen Jungs von Kais Bande, die sich um eine Vitrine drängten. Obwohl sie sich ruhig verhielten, hätten ihre bunten Federn und Ohrringe in der dezenten Einrichtung kaum stärker auffallen können.
    »Sie sind also der Kriminalbeamte.« Eine Frau mit kurzenHaaren, einem langen schwarzen Kleid und einer Perlenkette senkte den Kopf, als wollte sie ihn auf die Hörner nehmen. »Schaffen Sie diese Kreaturen aus meinem Geschäft! Haben Sie eine Ahnung, wie viele Kunden bereits gegangen sind, weil sie ...?«
    »Schon gut, gnädige Frau.« Kraus hob eine Hand. »Es dauert nur eine Minute. Also, Kai, welche ist es?«
    Der Junge deutete auf eine Vitrine mit kleinen, hellbraunen Handtaschen, deren Verschluss aus Elfenbein gefertigt zu sein schien. Sie waren teuer, wie Kraus sah. Fünfundsiebzig Reichsmark. Wahrscheinlich würde nicht einmal Vickis Mutter so viel Geld dafür ausgeben. Jedes einzelne dieser Täschchen, in denen schwerlich mehr als drei oder vier Gegenstände Platz fanden, war offensichtlich handgefertigt, und auf jeder fand sich eine besondere Insignie im Leder. Auf einer prangte ein schwarzer Ritter, auf einer anderen ein springender Löwe. Und auf einer dritten ... Kraus stockte der Atem als er es sah.
    Genau wie Kai beschrieben hatte – ein kleiner, roter Indianerkopf, wie derjenige auf der Tasche im Schaufenster, der überhaupt erst die Aufmerksamkeit der Jungen erregt hatte. Sie schoben ihre Ärmel hoch und zeigten Kraus ihre Schultern. Sie alle trugen dieselbe Tätowierung.
    Wer ein Roter Apache sein wollte, musste so eine Tätowierung haben.
    Jede Bande der Wilden Jungs hatte ihre eigene Tätowierung. Die Schwarzen Ritter. Den Springenden Löwen.
    »Es i... i...st eind... d... eindeutig Manfreds T... T... Tätowierung«, stammelte ein Junge mit einem gebrochenen Zahn. »Das w... w... weiß ich, weil ich sie ihm selbst ge... ge... gemacht habe.« Er hickste und unterdrückte seine Tränen. »Ich b... b... bin bei der letzten Feder abg... g... gerutscht und habe eine w... w... winzige Linie gezogen. Sehen Sie hier, Herr K... K... Kriminalsekretär.«
    Kraus beugte sich hinunter und konzentrierte sich auf die letzte Feder. Da war es ...
    »Manfred ist letztes Jahr verschwunden.« Kais pinkfarben geschminkte Lippen zitterten. »Das ist er, Kriminalsekretär.«
    »Das ist einfach lächerlich.« Das Gesicht der Frau, die sich als Frau Schröder persönlich herausstellte, leuchtete in einem dunkleren Rot als dieser Indianerkopf.
    »Gnädige Frau!«, stieß Kraus schließlich heiser heraus, »ich muss Sie leider auffordern, Ihr Geschäft augenblicklich zu schließen.«
    Innerhalb einer Stunde war Dr. Hoffnung mit dem mobilen kriminaltechnischen Labor vor Ort. Die Jungs von den Roten Apachen mussten draußen warten. Nachdem Kraus Gunther ebenfalls schleunigst herbestellt hatte, vernahm er Frau Schröder in ihrem Büro im hinteren Teil des Geschäftes.
    »Ich habe die Ware von einem Ihrer eigenen Leute, Herr Kriminalsekretär.« Sie versuchte ihre Angst zu bewältigen, indem sie ihm einen Sündenbock präsentierte. »Natürlich weiß ich, von wem. Ich habe die Rechnung hier im Kontobuch. Ich führe ein ordentliches Geschäft, was glauben Sie denn?«
    Sie öffnete einen Aktenschrank und fing an, ihn zu durchwühlen.
    »›Eine seltene Gelegenheit. Nur ganz wenige Exemplare‹, hat er mir erzählt. ›Alle handgemacht. Und von bester Qualität.‹ Das habe ich natürlich selbst auf den

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