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Kindersucher

Kindersucher

Titel: Kindersucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grossman
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unzweifelhaft irgendwo in Berlin unterwegs und ging ihrem schmutzigen Geschäft nach. Aber immerhin hatte er etwas erreicht, worauf er stolz sein konnte: Seit sich unter den Straßenjungen herumgesprochen hatte, dass sie nur zu dritt oder in noch größeren Gruppen herumlaufen sollten, war kein einziger von ihnen mehr entführt worden. Leider verschwanden jetzt dafür Kinder aus Waisenhäusern.
    Die Regierung der Weimarer Republik rühmte sich ihrer fortschrittlichen sozialen Wohlfahrtprogramme, angefangen vom modernen Gesundheitswesen und der Strafrechtsreform bis hin zu Heimen für ledige Mütter. Um nichts jedoch wurde mehr Wirbel gemacht als um die Fortschritte des Jugendwohlfahrtgesetzes. Obwohl immer noch zahllose Kinder auf den Straßen hausten, gab es mittlerweile ein Dutzend Waisenhäuser rund um Berlin – für jene, die das Glück hatten, einen Platz zu ergattern. Jetzt hatten jedoch auch drei dieser Heime das Verschwinden von Jungen gemeldet.
    Das Köpenick-Haus war typisch für diese Art von Heimen. In der freundlichen, sonnigen Einrichtung mit grünem Garten, Spielzimmern und Schlafsälen mit Pritschen und regelmäßig frischer Bettwäsche beaufsichtigten wachsame Frauen in weißen Uniformen die Kinder. Aber das Heim war voll bis unter die Dachsparren. Kinder in den Gärten, den Schlafsälen, den Laufgittern und den Krippen. Überall waren Kinder, in sämtlichen Räumen.
    Schwester Wolff fasste die Situation zusammen. »Das Heim ist ganz ausgezeichnet. Das Problem ist nur, dass wir aus allen Nähten platzen. Und angesichts der Wirtschaftskrise tauchen hier nicht nur Kleinkinder auf, sondern auch Kinder im Schulalter. Sie werden in Bussen herangekarrt. Wir tun unser Bestes, aber es ist einfach unmöglich, sie alle im Auge zu behalten. Selbstverständlich schließen wir nachts die Türen ab, aber tagsüber kann jeder hier einfach hereinkommen.«
    Am Tag zuvor waren zwei Jungen verschwunden, sieben und acht Jahre alt. Der Hausmeister behauptete, er hätte gesehen, wie eine Frau mit ihnen hinausgegangen sei, aber er habe sich nichts dabei gedacht, weil sie einen weißen Schwesternkittel getragen hatte. Kraus unterhielt sich ausführlich mit dem Mann.
    »Gibt es noch etwas, woran Sie sich erinnern können, wie die Frau aussah, wie sie sprach oder wie sie sich benahm? Bitte versuchen Sie, sich selbst an die kleinste Einzelheit zu erinnern. Alles könnte ungeheuer wichtig sein.«
    »Ich weiß nur, dass sie für ein so junges Mädchen ziemlich hässlich war.«
    »Hässlich? Inwiefern hässlich? Und wie alt war sie, was schätzen Sie?«
    »Etwa so alt wie meine Tochter, vierundzwanzig, fünfundzwanzig. Dürr wie ein Besenstiel und mit einem aufgedunsenen Gesicht, mit vielen Pockennarben. Aber es waren ihre Augen, die sie so hässlich machten. Sie waren eiskalt. Sie lächelte mich zwar strahlend an, als sie an mir vorbeiging, tat charmant, aber unter der Fassade ...« Er schüttelte den Kopf. »Ach ja, außerdem hatte sie eine dieser kleinen, rotschwarzen Anstecknadeln am Kragen ihres Kittels, mit diesem Hakenkreuz.«
    »Interessant. Ist Ihnen zufällig auch ihre Haarfarbe aufgefallen?«
    »Ihr Haar? Wie gesagt, sie trug eine Schwesternhaube. Aber darunter ... tja, ich glaube, ihr Haar war rot.«
    Zum ersten Mal hatte jemand die Hirtin wirklich gesehen.
    Und so kam sie also an ihre Kinder. Jedenfalls war das eine Art und Weise. Als Schwester verkleidet. Die charmant sein konnte, wenn sie wollte. Und darüber hinaus Nationalsozialistin war.
    Diese Information brachte Kraus einen großen Schritt weiter.
    Nur war das kein Trost, solange er seine Jungs nicht finden konnte.
    Er suchte die Menschenmenge ab, die zum Schwimmbad unterwegs war und von dort zurückkehrte, aber von seinen Jungs war nichts zu sehen. Stattdessen sah er Vickis Augen vor sich, die ihn düster und anklagend anstarrten.
    »Warum? Warum? « Sie hatte in der Nacht, in der man ihm diesen Fall übertragen hatte, geweint. Sie hatten bereits im Bett gelegen, als er es ihr erzählt hatte. »Was treibt dich dazu, so etwas zu tun? Reicht die Gefahr, in die du dich normalerweise begibst, nicht aus? Brauchst du noch mehr davon? Willst du damit irgendetwas beweisen? Machst du es, weil du ein Jude bist?«
    »Jemand läuft da draußen herum, Vic, und entführt kleine Kinder. Und dann tut er ihnen schreckliche Dinge an.«
    »Du hast auch Kinder!«
    Sie hatte keine Ahnung, dass er sich von Anfang an nicht an sein Versprechen gehalten hatte, sich von dem Fall

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