Kindheit bei Scientology: Verboten (German Edition)
wenn er mit seiner Mutter spätnachts aus der Scientology-Einrichtung nach Hause kam. Es gab eine Zeit, da schreckte er immer öfter auf und konnte nicht mehr einschlafen. Wann das genau angefangen hatte, weiß er nicht mehr und macht sich auch keine Gedanken. Darüber zu sprechen oder gar zu seinen Eltern zu gehen, auf diese Idee kommt er schon lange nicht mehr. Er weiß, dass er allein verantwortlich dafür ist, was mit ihm passiert. Und da ist es auch egal, wie alt er ist, ob acht oder zehn Jahre oder älter. »Wahr ist für dich nur das, was du für wahr erkennst«, so eine der Aussagen Hubbards. Edwin weiß das inzwischen sehr genau.
Die Träume, die ihn nachts aufschrecken lassen, kreisen immer um ein Thema, den Tod. Immer und immer wieder quälen ihn Bilder, in denen sich sein Körper auflöst bzw. er seinen Körper sieht und selbst nicht weiß, wo er ist. Immer dann, wenn sein ausgelöster Teil sich irgendwo bewegt, schreckt er hoch. Er träumt von rumpelnden Gegenständen, die er mit sich herumschleppt, fühlt sich in Ketten gebunden. Manchmal bekommt er keine Luft, weil – so scheint es ihm – etwas Starkes auf seinen Oberkörper drückt. Er hat manchmal schon richtig Angst vor dem Einschlafen, und ihm ist auch schon passiert, dass er aufwacht und ins Bett gemacht hatte. Doch Edwin hat verinnerlicht, dass es nur an ihm liegt, an ihm allein, wenn so etwas passiert. Und so wälzt er sich in seinem Bett, hat Angst vor dem Schlafen, es quält ihn, und er kann nicht darüber sprechen.
Der Tod ist in der Scientology-Organisation ein besonderes Thema. Im Kapitel »Das Phänomen des Todes« stellt Hubbard gleich zu Beginn mit verblüffender Klarheit fest:
»Erst in der Scientology ist der Mechanismus des Todes gründlich verstanden worden. Bis dahin zählte der Mensch das ganze Gebiet des Todes zu den eher mysteriösen Gebieten.Tatsächlich sind wir die ersten, die sehr viel über den Tod wissen. Dies ist einer der größeren Gewinne der Scientology.«
(Hubbard, Lafayette Ronald: Haben Sie vor diesem Leben gelebt?,
Kopenhagen 1979, S. 39)
Der immer wieder zu hörende Vergleich, es handle sich bei Scientology um eine »Religionsgemeinschaft«, da auch hier die Auffassung vertreten werde, der Mensch besitze nur eine Seele, ist nicht korrekt. Denn der Begriff »Seele« taucht bei Scientology nicht auf. In vielen Schriften wird die Thetan-Theorie gleichgesetzt mit der Seele. In weiteren Schriften wird auf Wiedergeburtstheorien anderer Religionsgemeinschaften Bezug genommen. Allerdings, und das ist bei der Scientology-Organisation auch nicht anders zu erwarten, ist nur dort »die wahre Theorie« über den Tod zu erhalten. Da diese Haltung auch als gefestigtes »Wissen« in die Köpfe der Mitglieder transportiert wird, ist es nicht verwunderlich, dass es Menschen gibt, die keinen Schlaf darüber finden. Aussagen wie:
»Erst wenn Sie ein paarmal tot gewesen sind, können Sie verstehen, wie bestürzend dies sein kann!«
(Hubbard, Lafayette Ronald: Haben Sie vor diesem Leben gelebt?, Kopenhagen 1979, S. 45)
machen den Umgang mit diesem Thema nicht einfacher.
Die Sprachlosigkeit des kleinen Jungen den Eltern oder anderen Personen gegenüber ist nicht zuletzt dadurch hervorgerufen, dass der »Auditor«, der mit ihm Stunden über Stunden am »Hubbard-E-Meter« verbringt, einen nicht unerheblichen Einfluss auf ihn hat. Dieser Mensch zeichnet verantwortlich dafür, dass der Junge die Begriffe und die vielleicht aus der nicht-scientologischen Welt erzählten Geschichten in seinem als Scientologen zu funktionierenden kleinen Kopf zusammenfügt.
Unter anderem in dem Buch »Kinder-Dianetik« wird dieses in verschiedenen Kapiteln sehr deutlich. Zu den klärenden Wahrnehmungen im Sinn der Erziehung nach Scientology spielt natürlich bei der Bedeutung der Lehre auch der Tod eine Rolle. Keine »falschen« Vorstellungen können zugelassen werden.
»In einer Hinsicht kann der Auditor eine sehr wichtige Funktion in der Erziehung des Kindes erfüllen. Ein Kind ist fast immer über seine Umwelt verwirrt; größtenteils wegen der Bezeichnungen, mit denen Erwachsene die Gegenstände versehen haben und dabei nicht verstehen, welche ernsten Folgen das falsche Bezeichnen eines Gegenstandes für ein Kind hat. (Zur Erinnerung: Eltern und die Umgebung des Kindes werden die Sprache sprechen, die sie gelernt haben, bei Hubbard wird das Erlernen der eigenen Sprache zu ›falschen Bezeichnungen‹ führen, die das Kind
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