Kinsey Millhone 02- In aller Stille
Frühstücks riechen: Schinken und Kaffee und etwas, das mit Zimt gewürzt gewesen war.
Nachdem sie klargestellt hatte, daß sie es eilig hatte, schien sie bereit, mir soviel Zeit zu opfern, wie ich brauchte. Sie setzte sich auf ein Sofa, und ich suchte mir einen hölzernen Schaukelstuhl aus.
»Soweit ich weiß, ist sie normalerweise um diese Zeit des Jahres in Florida«, sagte ich.
»Ja. Sie hat noch eine andere Eigentumswohnung dort unten. In Boca Raton, wo immer das ist. In der Nähe von Fort Lauderdale, glaube ich. Ich war selbst nie in Florida, deshalb sind diese Städte nichts als Namen für mich. Jedenfalls fährt sie normalerweise um den ersten Februar herum runter und kommt Ende Juli oder Anfang August zurück nach Kalifornien. Sie mag die Hitze, sagt sie.«
»Und Sie senden ihr solange die Post nach?«
Tillie nickte. »Ja, ungefähr einmal die Woche, in Bündeln, je nachdem, wieviel sich angesammelt hat. Und sie schickt mir dann alle paar Wochen eine Nachricht. Eine Postkarte, wissen Sie, auf die sie ein paar Grüße schreibt und wie das Wetter ist und ob ich jemanden in die Wohnung lassen soll, um die Vorhänge reinigen zu lassen oder so was. Dieses Jahr hat sie mir bis zum ersten März geschrieben, und seitdem habe ich kein Wort mehr von ihr gehört. Also, das sieht ihr überhaupt nicht ähnlich.«
»Haben Sie zufällig noch Postkarten?«
»Nein, ich habe sie alle weggeworfen, wie ich das immer tue. Ich sammele solche Dinge nicht. Es gibt so schon zuviel Papier, das sich irgendwo auf dieser Welt stapelt, wenn Sie mich fragen. Ich habe sie gelesen, zerrissen, und mir nie etwas dabei gedacht.«
»Sie hat nicht zufällig erwähnt, daß sie einen kleinen Ausflug oder so machen wollte?«
»Kein Wort. Natürlich geht mich das im Prinzip ja auch nichts an.«
»Wirkte sie besorgt?«
Tillie lächelte gequält. »Nun, es ist schwierig, auf einer Postkarte besorgt zu erscheinen, dafür gibt es nicht genug Platz. Auf mich wirkte sie okay.«
»Haben Sie eine Vermutung, wo sie sein könnte?«
»Keine. Ich kann nur sagen, daß es nicht ihre Art ist, nicht zu schreiben. Ich habe vier- oder fünfmal versucht, sie anzurufen. Einmal war irgendeine Freundin von ihr am Apparat, aber sie war sehr kurz angebunden, und danach tat sich gar nichts mehr.«
»Wer war diese Freundin? Jemand, den Sie kennen?«
»Nein, aber schließlich weiß ich auch nicht, wen sie in Boca kennt. Es hätte sonstwer sein können. Ich habe mir den Namen nicht gemerkt und würde mich auch nicht an ihn erinnern, wenn Sie ihn mir jetzt nennen würden.«
»Was ist mit der Post, die sie bekommt? Kommen ihre Rechnungen noch?«
Sie zuckte die Achseln. »Es sieht so aus. Ich habe nicht so sehr darauf geachtet. Ich sammele einfach alles, was kommt. Ich habe noch etwas da, das ich ihr schicken wollte, wenn Sie das sehen möchten.« Sie stand auf, ging durch den Raum zu einem Eichenschreibtisch und öffnete eine der Glastüren, indem sie den Schlüssel im Schloß herumdrehte. Sie nahm einen kleinen Stapel Briefumschläge heraus und sah ihn durch, dann gab sie ihn mir.»Das sind die Sachen, die sie normalerweise bekommt.«
Ich sah den Stapel ebenfalls schnell durch. Visa, Master-Card, Saks Fifth Avenue. Ein Pelzhändler namens Jacques mit einer Adresse in Boca Raton. Eine Rechnung von einem John Pickett, D. D. S., Inc., gleich um die Ecke von Arbol. Keine persönlichen Briefe.
»Bezahlt sie ihre laufenden Rechnungen auch von hier aus?«
»Ich habe die für diesen Monat schon nachgesandt.«
»Könnte sie verhaftet worden sein?«
Ein Lachen war die Antwort. »Aber nein. Sie nicht. So war sie einfach nicht. Sie hatte keinen Führerschein, wissen Sie, aber sie war bestimmt nicht der Typ, der als Fußgänger einen Strafzettel bekommt.«
»Unfall? Krankheit? Alkohol? Drogen?« Ich fühlte mich wie ein Arzt, der seinen Patienten bei der jährlichen Untersuchung befragt.
Tillie sah skeptisch aus. »Sie könnte in einem Krankenhaus liegen, aber sicher hätte sie uns das wissen lassen. Ich finde das Ganze äußerst merkwürdig, um ehrlich zu sein. Wenn ihre Schwester jetzt nicht bei Ihnen vorbeigekommen wäre, wäre ich vielleicht demnächst zur Polizei gegangen. Da stimmt einfach etwas nicht.«
»Aber es gibt eine Menge Erklärungen für ihre Abwesenheit«, meinte ich. »Sie ist erwachsen. Offensichtlich hat sie Geld und keine dringenden Geschäfte. Sie braucht wirklich niemanden über ihren Aufenthaltsort zu unterrichten, wenn sie nicht will. Sie
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