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Kinsey Millhone 02- In aller Stille

Kinsey Millhone 02- In aller Stille

Titel: Kinsey Millhone 02- In aller Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Florida auf.
    »Sie meinen, niemand da unten hat sie überhaupt gesehen? Ja, dann stimmt etwas nicht«, sagte sie. »Ganz bestimmt. Ich weiß, daß sie weggefahren ist, und ich weiß, daß sie auf jeden Fall vorhatte, nach Florida zu fliegen. Ich sah aus dem Fenster, wie das Taxi kam, hupte und sie einstieg. Sie hatte ihren guten Pelzmantel und die dazu passende Pelzkappe an. Sie reiste bei Nacht, was sie eigentlich nicht mochte, aber sie fühlte sich nicht gut und dachte, eine Klimaveränderung könnte helfen.«
    »Sie war krank?«
    »Nun ja. Ihre Nebenhöhlen waren verstopft, und sie hatte diese schreckliche Kopfgrippe oder Allergie oder was auch immer. Ich will ja nichts sagen, aber sie war ein bißchen hypochondrisch veranlagt. Sie rief mich an und sagte, sie habe sich entschlossen, sofort hinunterzufahren, beinahe auf der Stelle. Eigentlich sollte es erst zwei Wochen später losgehen, aber der Arzt hatte gesagt, es könnte ihr gut tun, und ich glaube, sie buchte den ersten Flug, den sie bekommen konnte.«
    »Wissen Sie, ob sie ein Reisebüro in Anspruch genommen hat?«
    »Ich bin ziemlich sicher, daß sie es getan hat. Wahrscheinlich eines in der Nähe. Da sie kein Auto fuhr, bevorzugte sie Geschäfte, die sie zu Fuß erreichen konnte, wenn es ging. Wir sind da.«
    Tillie war vor Apartment 9 stehengeblieben, das im zweiten Stock, direkt über ihrem eigenen, lag. Sie schloß die Tür auf und folgte mir hinein.
    Das Apartment war dunkel, die Vorhänge zugezogen, die Luft trocken und unbewegt. Tillie durchquerte das Wohnzimmer und öffnete die Vorhänge.
    »War jemand in der Wohnung, seitdem sie gefahren ist?« fragte ich. »Reinigungsfrau? Handwerker?«
    »Nicht daß ich wüßte.«
    Wir schienen beide unsere Bibliothekslautstärke zu benutzen, denn es hat etwas Beunruhigendes an sich, in einer fremden Wohnung zu sein, wenn man nicht sollte. Ich fühlte, wie mir ein feiner Stromstoß durchs Mark schoß.
    Wir machten schnell eine Runde durch die Wohnung, und Tillie meinte, ihr schiene alles normal zu sein. Nichts Besonderes. Nichts am falschen Platz. Sie ging dann, und ich sah mich allein um und nahm mir die Zeit, es gründlich zu tun.
    Es war eine Eckwohnung, zweiter Stock Vorderseite, mit Fenstern an zwei Wänden. Ich nahm mir eine Minute Zeit, um auf die Straße zu sehen. Es fuhren keine Autos vorbei. Ein Junge mit Irokesenschnitt lehnte an einem geparkten Wagen direkt unter mir. Die Seiten seines Kopfes waren so kurz geschoren, als stünde er vor seiner Hinrichtung, und der verbliebene Streifen Haar stand hoch wie trockenes Gras auf dem Mittelstreifen eines Highway. Es war in einer Rosaschattierung getönt, die ich nicht mehr gesehen hatte, seitdem Hot pants aus der Mode waren. Er sah aus wie sechzehn oder siebzehn und trug eine leuchtendrote Fallschirmjägerhose, die in seine Kampfstiefel gesteckt war, und ein oranges Army-Hemd mit einer Aufschrift auf der Brust, die ich von hier aus nicht lesen konnte. Ich beobachtete, wie er sich einen Joint drehte und ihn anzündete.
    Ich ging zu den Seitenfenstern, von denen aus man auf die ebenerdigen Fenster des kleinen Holzhauses nebenan sehen konnte. Das Dach war von einem Feuer zerstört, und die Dachbalken des Hauses waren durchsichtig wie die zerbrechlichen Gräten eines zu lange gekochten Fisches. Die Tür war mit Brettern vernagelt, die Scheiben aus den Fenstern herausgebrochen, offensichtlich durch die Hitze. Ein ZU VERKAUFEN-Schild war in das tote Gras gerammt worden wie ein zerbrechlicher Grabstein. Keine besonders schöne Aussicht für eine Eigentumswohnung, die Elaine nach meiner Schätzung über hunderttausend Dollar gekostet haben mußte. Ich zuckte die Achseln und ging in die Küche.
    Arbeitsfläche und Küchengeräte glänzten. Der Fußboden war unverkennbar gewischt und gewachst worden. Die Schränke waren ordentlich gefüllt mit Lebensmitteln in Dosen, einschließlich etwas Katzenfutter. Der Kühlschrank war leer, mit Ausnahme der üblichen Tür voll mit Oliven und Mixed Pickles und Senf und Marmelade. Der elektrische Herd war nicht mehr angeschlossen, die Schnur hing vor dem Zifferblatt der Uhr, auf der es 8.20 Uhr war. Eine leere braune Papiertüte war in den Plastikabfalleimer unter dem Waschbecken gesteckt und sorgfältig über dessen Rand gestülpt worden. Es sah so aus, als ob Elaine Boldt die Wohnung systematisch für eine lange Abwesenheit vorbereitet hatte.
    Ich verließ die Küche und schlenderte in den Flur. Der Grundschnitt war offenbar ein

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