Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief

Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief

Titel: Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
Vom Netzwerk:
‘n Glas?«
    Sie beugte sich zu ihrem Nachttisch hinüber, durchwühlte das Chaos und holte einen Becher hervor, dessen Boden etwas Klebriges und Grünes enthielt, Absinth oder Crème de Menthe. Sie hielt ihm das Glas hin. Der Wein, den er hineingoß, färbte sich von den Likörresten.
    »Also, wer ist die Alte?«
    Ich hasse es, Alte genannt zu werden.
    Bobby lachte. »O Gott, tut mir leid. Das ist Kinsey. Sie ist der Privatdetektiv, von dem ich dir erzählt habe.«
    »Hätt’ ich auch selbst drauf kommen können.« Ihr Blick wanderte wieder zu mir. Die Pupillen waren so erweitert, daß ich die Farbe der Iris nicht bestimmen konnte. »Und, wie gefällt dir unsere kleine Nebenvorstellung? Bobby und ich sind die Familienfreaks. Was für ein Paar, stimmt’s?«
    Dieses Kind ging mir auf die Nerven. Sie war weder klug genug noch schnell genug, um die dicke Luft, die sie produzierte, auch wieder zu reinigen. Die Spannung war spürbar, wie bei einem Slapstick-Streifen mit zweitklassigen Gags.
    Bobby mischte sich sanft ein. »Dr. Kleinert ist unten.«
    »Ah, Dr. Destructo. Was hältst du von dem?« Sie nahm einen Zug aus ihrer Zigarette und heuchelte Nonchalance, doch ich fühlte, daß sie auf meine Antwort wirklich gespannt war.
    »Ich hab nicht mit ihm gesprochen«, erwiderte ich. »Bobby wollte, daß ich dich zuerst kennenlerne.«
    Sie starrte mich an, und ich starrte zurück. Mir fiel ein, wie ich in der sechsten Klasse solche Spielchen mit meinem Todfeind Tommy Jancko getrieben hatte. Fleute hab ich vergessen, warum wir uns nicht leiden konnten, aber Wettbewerbe im Starren gehörten jedenfalls immer zu den Waffen unserer Wahl.
    Sie sah wieder Bobby an. »Er will mich ins Krankenhaus kriegen. Schon erzählt?«
    »Gehst du?«
    »Kommt nicht in Frage! Soll ich all diese Nadeln in mich reinstecken lassen? O nee, nein danke. Kein Interesse.« Sie schwang ihre langen Beine über die Bettkante und stand auf. Sie ging durch das Zimmer zu einer Frisierkommode mit einem goldgerahmten Spiegel darüber. Dort studierte sie ihr Gesicht und sah mich wieder an. »Findest du, daß ich dünn aussehe?«
    »Sehr.«
    »Wirklich?« Die Vorstellung schien sie zu faszinieren, und sie drehte sich leicht, so daß sie ihren flachen Hintern sehen konnte. Wieder studierte sie ihr Gesicht und betrachtete sich dabei, wie sie einen Zug von der Zigarette nahm. Sie zuckte kurz die Achseln. Sie gefiel sich, wie sie war.
    »Können wir über diesen Mordversuch reden?« begann ich.
    Sie tapste zum Bett zurück und ließ sich wieder drauf fallen. »Jemand ist hinter ihm her. Ganz bestimmt«, erklärte sie. Mit einem Gähnen drückte sie ihre Zigarette aus.
    »Wie kommst du darauf?«
    »Intuition.«
    »Abgesehen von der Intuition«, meinte ich.
    »Ach Mist, du glaubst uns auch nicht«, sagte sie. Sie drehte sich zur Seite, lehnte sich gegen die Kissen und legte einen Arm unter den Kopf.
    »Ist hinter dir auch jemand her?«
    »Nee. Ich glaub nicht. Nur hinter ihm.«
    »Aber warum sollte das jemand tun? Ich sage ja nicht, daß ich euch nicht glaube. Ich suche einen Ausgangspunkt, und ich möchte wissen, was du dazu zu sagen hast.«
    »Ich muß einen Moment darüber nachdenken«, erwiderte sie. Dann war sie still.
    Ich brauchte einige Minuten, bis mir klar wurde, daß sie bewußtlos geworden war. Mein Gott, auf was für einem Trip war sie?

4

    Mit den Schuhen in der Hand wartete ich in dem Flur, während Bobby ihr eine Decke überlegte und auf Zehenspitzen aus dem Zimmer kam. Sanft schloß er die Tür.
    »Was hat das zu bedeuten?« fragte ich.
    »Es geht ihr gut. Sie war gestern abend nur ein bißchen zu lange auf.«
    »Was meinst du damit? Sie ist halbtot!«
    Er bewegte sich unbehaglich. »Glaubst du wirklich?«
    »Bobby, so schau sie dir doch an! Sie ist ein Skelett. Sie nimmt Drogen, Alkohol, Zigaretten. Und obendrein raucht sie auch noch Dope, wie du weißt. Wie soll sie das überleben?«
    »Ich weiß nicht. Ich habe wohl nie geglaubt, daß es ihr so schlecht geht«, meinte er. Er war nicht nur jung, er war naiv. Oder vielleicht war sie so langsam zugrunde gegangen, daß er nicht mehr wahrnehmen konnte, in welcher Verfassung sie sich befand.
    »Seit wann ist sie magersüchtig?«
    »Seitdem Rick tot ist, vermute ich. Vielleicht etwas früher. Er war ihr Freund, und es hat sie ganz schön getroffen.«
    »Geht sie deshalb zu Dr. Kleinert? Wegen der Magersucht?«
    »Nehme ich an. Ich habe nie nachgefragt. Sie war seine Patientin, bevor ich anfing, zu ihm zu

Weitere Kostenlose Bücher