Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser

Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser

Titel: Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
Vom Netzwerk:
Hotelbalkon. Ich sagte damals, Ihre Kumpel hätten mich raufgeschickt, aber das war geschwindelt. In Wirklichkeit war ich Wendell Jaffe auf den Fersen — genau wie Sie.«
    »Du lieber Gott!« sagte er. Er trat von der Tür weg. »Ich hab’ ein Hühnchen in der Pfanne. Am besten kommen Sie mit in die Küche.«
    Ich machte die Fliegengittertür hinter mir zu und sah mich mit einem schnellen Blick in dem Zimmer um, das ich durchquerte. Abgetretenes Linoleum, massige Polstersessel aus den dreißiger Jahren, Regale, in denen kunterbunt Bücher gestapelt waren. Nicht nur unordentlich, sondern auch schmutzig. Keine Vorhänge, keine Tischlampen, ein offener Kamin, der nicht funktionierte.
    Ich erreichte die Küche und sagte: »Wendell Jaffe scheint wieder einmal verschwunden zu sein.«
    Harris Brown stand schon wieder am Ofen und hob den Deckel von der Pfanne, aus der eine Dampfwolke aufstieg. Am Rand des Herds stand ein Teller mit Mehl. Die Herdplatte, über die er die bemehlten Fleischstücke in die Pfanne befördert hatte, sah aus wie mit frisch gefallenem Schnee bestäubt. Wenn er mich mit der Vorlegegabel in seiner Hand in den Hals stieß, würde es aussehen, als hätte mich eine Schlange gebissen. Er stocherte im Fleisch herum.
    »Tatsächlich? Davon weiß ich gar nichts. Wie hat er es diesmal angestellt?«
    Ich blieb an den Türpfosten gelehnt stehen. Die Küche schien der einzige Raum zu sein, zu dem die Sonne Zugang hatte. Sie war außerdem sauberer als der Rest des Hauses. Das Spülbecken war frisch geschrubbt. Der Kühlschrank war ein Museumsstück — gelblich verfärbt, aber blitzsauber. In den offenen Regalen stand Geschirr, das nicht zusammenpaßte.
    »Keine Ahnung«, antwortete ich. »Ich dachte, das könnten Sie mir vielleicht sagen. Sie haben doch neulich mit ihm gesprochen.«
    »Wer sagt das?«
    »Seine Freundin. Sie war da, als er Sie zurückgerufen hat.«
    »Ah, die berüchtigte Mrs. Huff«, sagte er.
    »Wie haben Sie sie gefunden?«
    »Das war einfach. Sie selbst nannten mir ihren Namen bei unserem ersten Telefongespräch.«
    »Stimmt, ja. Und ich habe Ihnen bestimmt auch erzählt, daß sie ein Haus in den Keys hat. Das hatte ich ganz vergessen.«
    »Ich vergesse selten etwas«, versetzte er, »auch wenn mir natürlich nicht entgeht, daß sich allmählich das Alter bemerkbar macht.«
    Ich traute ihm nicht. Er war mir viel zu lässig. »Ich habe gestern abend mit Carl Eckert gesprochen. Er sagte mir, daß er Ihnen die hunderttausend bezahlt hat, die er Ihnen schuldete.«
    »Richtig.«
    »Warum haben Sie sich mit Wendell Jaffe gestritten?«
    Er drehte die knusprig braunen Hühnchenstücke um. Sie sahen aus, als wären sie durch, aber als er mit seiner Gabel hineinstach, quoll blutiger Saft heraus. Er stellte die Flamme kleiner und legte den Deckel wieder auf.
    »Mit Wendell habe ich mich gestritten, bevor ich das Geld bekommen habe. Darum habe ich Eckert zugesetzt und ihn gezwungen, an dem Abend hier runterzufahren.«
    »Ich verstehe den Zusammenhang nicht.«
    »Wendell sagte zu mir, er würde sich stellen und wolle reinen Tisch machen, ehe er ins Gefängnis ginge. Es war ein Hammer. Er wollte von dem Geld erzählen, das er und Eckert auf die Seite gebracht hatten. Als er mir das sagte, war mir klar, daß das das Ende ist. Daß ich erledigt bin und von meinem Geld keinen Penny mehr sehen würde. Also habe ich sofort Eckert angerufen und ihm gesagt, er soll mir auf der Stelle das Geld herbringen.«
    »Warum hatten Sie vorher das Geld nie zurückverlangt?«
    »Weil ich dachte, es wäre weg. Eckert hatte behauptet, es wäre nichts mehr da. Aber als ich hörte, daß Jaffe lebt, hab’ ich das nicht mehr geglaubt. Ich habe Eckert unter Druck gesetzt, und da stellte sich heraus, daß sie sehr wohl noch Geld hatten. Und zwar einen ganzen Haufen. Jaffe hatte nur ungefähr eine Million mitgenommen, als er getürmt war. Den Rest hatte Eckert. Ist das zu glauben? Er hockte die ganze Zeit auf dem Geld und nahm sich einfach, was er gerade brauchte. Schlau, das muß ich sagen. Er lebte wie ein armer Mann. Da hat natürlich keiner Verdacht geschöpft.«
    »Haben Sie nicht gemeinsam mit den anderen Gläubigern geklagt?«
    »Doch, natürlich. Aber was glauben Sie, was ich da noch gekriegt hätte? Vielleicht zehn Cents für den Dollar, und auch das nur mit Glück. Jeder hätte was vom Kuchen haben wollen, das Finanzamt und zweihundertfünfzig Anleger. Mir war es schnurzegal, ob er das Geld zurückgeben würde oder nicht,

Weitere Kostenlose Bücher