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Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht

Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht

Titel: Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Meter unter der Erde und standen in dem Zulaufkanal, durch den schon Millionen Liter Wasser geflossen waren. Hier unten herrschte stets Nacht, und der einzige Mond schien in Form einer Zweihundertwattbirne. Der Durchgang roch feucht und erdig. Am dunklen Ende des Tunnels konnte ich das Schleusentor erkennen und auf dem Boden Streifen von Sedimenten. Ich kam mir vor wie bei der Höhlenforschung — nicht gerade eine meiner Leidenschaften. Dann entdeckte ich Roger, der mit dem Rücken zu uns an einer Leitung an der Decke arbeitete. Er stand etwa viereinhalb Meter entfernt auf einer Leiter, und die große Glühbirne hing mit ihrem Gitterschutz an einem Rohr direkt neben seinem Gesicht. Er trug einen blauen Overall und bis zur Hüfte reichende schwarze Gummistiefel. Über der Gabelung der Leiter sah ich eine Jeansjacke hängen. Es war kalt hier unten, und ich war froh, daß ich meine Jacke anhatte.
    Roger wandte sich nicht um. »Bist du das, Delbert?« fragte er über die Schulter.
    »Ja, ich bin’s. Hier ist eine Bekannte von dir. Eine Miss... wie war noch Ihr Name — Kenley?«
    »Kinsey«, verbesserte ich.
    Roger drehte sich um. In seinen Augen glänzte das Licht und verbannte jegliche Farbe aus seinem Gesicht. »Ah, ja. Ich habe Sie erwartet«, sagte er.
    Delbert hatte die Hand in die Hüfte gestützt. »Brauchst du noch Hilfe hier?«
    »Eigentlich nicht. Schau doch mal nach Paul und geh ihm zur Hand.«
    »Mach’ ich.«
    Delbert stieg wieder die Leiter hinauf und ließ uns allein. Erst verschwand sein Kopf, dann der Rücken, die Hüften, die Beine und zuletzt die Stiefel. Es war ganz still. Roger kam von seiner Leiter herunter und wischte sich die Hände an einem Lappen ab, während ich dastand und mir überlegte, wie ich es anfangen sollte. Ich sah, wie er seine Jacke aufhob und eine der Vordertaschen befühlte.
    »Es ist nicht das, was Sie denken«, sagte ich. »Hören Sie, Lorna sollte an dem Wochenende, als sie ermordet wurde, heiraten. Vor ein paar Tagen hat mich ein Mann mit ein paar Gorillas in ausgebeulten Mänteln in einer Großraumlimousine abgepaßt...« Ich merkte, wie mir die Stimme versagte.
    Er hatte etwas von der Größe eines Walkie-talkies in der Hand: ein schwarzes Kunststoffgehäuse mit ein paar Knöpfen an der Vorderseite. »Wissen Sie, was das ist?«
    »Sieht aus wie ein Elektroschocker.«
    »Genau.« Er drückte auf einen Knopf, und zwei winzige Sonden mit einer Ladung von hundertzwanzigtausend Volt kamen herausgeschossen. Sowie sie mich berührten, lag ich flach, und mein ganzer Körper war gefühllos geworden. Ich konnte mich nicht bewegen. Ich konnte nicht atmen. Nach ein paar Sekunden begann mein Gehirn wieder zu arbeiten. Ich wußte, was passiert war. Ich wußte nur nicht, was ich dagegen tun konnte. Unter all den möglichen Reaktionen, die ich bei ihm in Betracht gezogen hatte, war diese nicht mit auf der Liste gestanden. Ich lag wie ein Stein auf dem Rücken und mühte mich ab, eine Methode zu finden, wie ich Sauerstoff in meine Lungen pressen konnte. Keine meiner Gliedmaßen reagierte auf Anforderung. In der Zwischenzeit tastete Roger mich ab, zog meine Pistole hervor und steckte sie in die Tasche seines Overalls.
    Ich machte ein Geräusch, das aber vermutlich nicht besonders laut war. Er ging zur Wand hinüber und stieg die Leiter hinauf. Ich dachte schon, er würde mich hier unten liegen lassen. Statt dessen schlug er die Klapptür zu, womit die Luke verschlossen war. »Ich dachte, wir wären vielleicht gern unter uns«, sagte er, als er wieder herunterstieg. Er holte sich einen Plastikeimer, der auf der Seite lag. Dann drehte er ihn um und setzte sich nicht weit von mir entfernt darauf. Er beugte sich ganz nahe zu mir her. Sanft sagte er: »Wenn Sie mir dumm kommen, ersticke ich Sie mit dieser Jacke. So geschwächt, wie Sie jetzt sind, wird das keinerlei Spuren hinterlassen.«
    Das hat er auch mit Lorna gemacht, dachte ich. Sie mit einem Elektroschocker außer Gefecht gesetzt und ihr dann ein Kissen ins Gesicht gedrückt. Wird nicht lange gedauert haben. Ich fühlte mich wie ein Baby im ersten Entwicklungsstadium und bewegte beim Versuch, mich umzudrehen, unbeholfen meine Glieder. Ächzend schaffte ich es, mich auf die Seite zu rollen. Schwer atmend lag ich da und sah aus den Augenwinkeln auf den nassen Beton. Meine Wange lag auf etwas Sandigem: Anthrazit, Klärschlamm, kleine Muscheln. Ich konzentrierte mich und zog langsam den rechten Arm unter mir an. Ich hörte, wie die

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