Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht
vermutlich teuer. Sind Sie sich darüber im klaren?«
»Sonst wäre ich nicht hergekommen.«
»Und Ihr Mann ist einverstanden?«
»Er ist nicht gerade begeistert von der Idee, aber er weiß, daß ich fest dazu entschlossen bin.«
»In Ordnung. Lassen Sie mich erstmal ein bißchen herumschnüffeln, bevor wir irgendwelche Verträge unterzeichnen. Ich möchte sichergehen, daß ich Ihnen weiterhelfen kann. Sonst verschwenden wir nur meine Zeit und Ihr Geld.«
»Werden Sie mit der Polizei sprechen?«
»Das werde ich tun müssen«, sagte ich. »Zuerst vielleicht inoffiziell. Der Punkt ist, daß ich Informationen brauche, und wenn wir ihre Unterstützung bekommen können, spart Ihnen das einige Dollar.«
»Das ist mir klar«, sagte sie, »aber eines sollte auch Ihnen klar sein. Ich weiß, daß Sie die hiesige Polizei für kompetent halten, und das stimmt sicher auch, aber jeder macht mal einen Fehler, und es ist nur menschlich, wenn man ihn zu vertuschen sucht. Ich möchte nicht, daß Sie Ihre Entscheidung, ob Sie mir helfen können oder nicht, von der Polizei abhängig machen. Die halten mich wahrscheinlich für komplett verrückt.«
»Glauben Sie mir, ich bin durchaus in der Lage, mir selbst ein Bild zu machen.« Ich spürte, wie mein Nacken steif wurde und sah auf die Uhr. Zeit, Schluß zu machen, dachte ich. Ich fragte sie nach ihrer Adresse, ihrer Telefonnummer und der Nummer im Coffee Shop und notierte mir alles. »Ich werde sehen, was ich herausfinden kann«, sagte ich. »Können Sie mir die Sachen in der Zwischenzeit hierlassen? Damit ich mich einarbeiten kann. Der Zähler fängt erst zu ticken an, wenn wir einen Vertrag unterzeichnet haben.«
Sie sah auf die Papiertüte neben sich herunter, machte aber keine Anstalten, sie aufzuheben. »Na ja. Ich denke schon. Ich möchte nicht, daß irgend jemand anders das Band in die Finger bekommt. Es würde Mace und die Mädchen umbringen, wenn sie wüßten, was darauf ist.«
Ich schwor es ihr mit erhobener Hand. »Ich werde es unter Einsatz meines Lebens verteidigen«, sagte ich. Es erschien mir unnötig, sie darauf hinzuweisen, daß Pornographie ein alltägliches Geschäft ist. Vermutlich war das Band tausendfach in Umlauf. Ich steckte die Notizen in meine Aktentasche und klappte sie zu. Sie erhob sich zusammen mit mir und preßte die Tüte kurz an die Hüfte, bevor sie sie mir gab.
»Danke«, sagte ich. Ich nahm Jacke und Handtasche, legte beides oben auf die Tüte und jonglierte die Sachen auf dem Arm, während ich die Lichter ausschaltete. Sie folgte mir über den Flur und beobachtete mich unruhig beim Abschließen. Ich warf ihr einen Blick über die Schulter zu. »Sie werden mir vertrauen müssen, wissen Sie. Sonst hat es keinen Sinn, eine geschäftliche Beziehung einzugehen.«
Sie nickte, und einen Moment lang konnte ich die Tränen in ihren Augen blinken sehen. »Hoffentlich vergessen Sie nicht, daß Lorna in Wirklichkeit nicht so war, wie es aussieht.«
»Ich werde es nicht vergessen«, sagte ich. »Ich melde mich bei Ihnen, sobald ich etwas weiß, und dann entwerfen wir einen Schlachtplan.«
»In Ordnung.«
»Eines noch. Sie werden Mace von dem Video erzählen müssen. Er muß es ja nicht sehen, aber er sollte von seiner Existenz wissen. Ich möchte, daß zwischen uns dreien absolute Offenheit herrscht.«
»In Ordnung. Ich konnte sowieso noch nie etwas vor ihm geheimhalten.«
Auf dem kleinen Parkplatz für zwölf Autos hinter dem Gebäude trennten wir uns, und ich fuhr nach Hause.
In meinem Viertel angekommen, mußte ich einmal um den Block kreisen, bevor ich eine halbe Häuserzeile entfernt einen einigermaßen legalen Parkplatz ergatterte. Ich schloß das Auto ab und ging zu meiner Wohnung, wobei ich die Papiertüte wie eine Einkaufstasche voller Lebensmittel schleppte. Die Nacht war samtig und weich. Bäume, deren nackte Zweige sich oben zu einem luftigen Baldachin verflochten, tauchten die Straße in Dunkelheit. Die wenigen Sterne, die zu sehen waren, strahlten wie Eissplitter, die über den Himmel gestreut waren. Eine halbe Häuserzeile entfernt plätscherte das Meer an den winterlichen Strand. In der unbewegten Nachtluft konnte ich das Salz riechen wie den Rauch eines Feuers. Vor mir sah ich im Fenster meines Lofts im ersten Stock einen Lichtschein, und die vom Wind zerzausten Kiefernzweige schlugen gegen die Scheibe. Ein Mann auf einem Fahrrad kam an mir vorbei. Er war dunkel gekleidet, fuhr schnell, und die Hacken seiner Radfahrerschuhe waren
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