Kinsey Millhone 18 - Ausgespielt
anderen Ende der Straße, etwa vier Häuser weiter, von wo aus ich eine gute Sicht auf die Einfahrt hatte. Wenn man jemanden überwacht, besteht immer die Gefahr, dass ein Nachbar bei der Polizei anruft und sich über ein verdächtiges Fahrzeug beschwert, das vor seinem Haus parkt. Um von mir abzulenken, holte ich zwei orangefarbene Baustellenkegel aus dem Fußraum, ging nach hinten und machte die Motorhaube auf. Dann stellte ich die Kegel daneben, was für den Fall, dass jemand neugierig wurde, Motorprobleme vortäuschen sollte.
Neben dem Auto blieb ich stehen und musterte die anderen Häuser. Keine Menschenseele weit und breit. Ich überquerte die Straße und klingelte bei Misty. Nachdem drei Minuten lang nichts passiert war, klopfte ich. Keine Reaktion. Ich lehnte den Kopf an die Tür. Stille. Schließlich ging ich die Einfahrt entlang und inspizierte die mit einem Vorhängeschloss gesicherte Garage, die durch einen kurzen, überdachten Durchgang mit dem Haus verbunden war. Beide Garagenfenster waren geschlossen und die Scheiben mit Farbe zugepinselt. Ich kehrte zur Vorderseite des Hauses zurück. Ein hölzerner Zaun auf der anderen Seite führte in einen deprimierend kahlen Garten. Keinerlei Hinweise auf Haustiere, kein Kinderspielzeug, keine Gartenmöbel und kein Grill. Die Fenster zum Garten waren dunkel. Ich hielt die gewölbten Hände gegen die Scheibe und sah ein Arbeitszimmer vor mir, wie üblich ausgestattet mit Schreibtisch und Drehstuhl, Computer, Telefon und Kopiergerät. Keine Spur von Misty oder Reba. Das enttäuschte mich, nachdem ich mir so sicher gewesen war, dass Reba bei ihr wohnte. Was nun?
Ich setzte mich wieder in meinen Käfer, richtete mich auf eine Wartezeit ein und vergnügte mich damit, die Gelben Seiten des geborgten Telefonbuchs durchzublättern. Als mich das langweilte, griff ich nach dem ersten der drei Taschenbücher, die ich zu diesem Zweck eingepackt hatte. Es war beruhigend, dass die meisten der umliegenden Häuser dunkel blieben, was vermuten ließ, dass ihre Bewohner noch in der Arbeit waren. Um zehn nach acht kam ein Ford Fairlane angefahren, der langsamer wurde und in Mistys Einfahrt bog. Im nachlassenden Tageslicht schimmerte der Lack auf der Fahrerseite, als leuchtete er von selbst. Eine Frau stieg aus. Sie trug ein weißes, rückenfreies Top, enge Jeans und Stilettos ohne Strümpfe. Nachdem sie zwei sperrige Einkaufstüten aus Plastik vom Rücksitz gehievt hatte, marschierte sie zur Haustür, schloss auf und verschwand. Auf ihrem Weg durchs Haus machte sie in einem Zimmer nach dem anderen Licht. Das musste Misty Raine sein, die Frau, die ich suchte.
Bis jetzt hatte noch niemand meine Anwesenheit in der Straße beanstandet. Ich stieg aus, holte die orangefarbenen Plastikkegel und stellte sie wieder ins Auto — schließlich wollte ich auf alles vorbereitet sein. Zunächst wandte ich mich jedoch mithilfe einer kleinen Taschenlampe, die ich aus meiner Tasche gekramt hatte, wieder meinem Lesestoff zu. Hin und wieder blickte ich auf, doch das Haus blieb ruhig, und weder kam noch ging jemand. Um zwanzig vor zehn leuchteten Außenscheinwerfer von der Intensität einer Gefängnishofbeleuchtung auf und tauchten die Einfahrt in hartes, weißes Licht. Misty kam heraus, ließ die Lichter im Haus an, stieg in ihren wuchtigen Ford und fuhr rückwärts aus der Einfahrt. Ich wartete fünfzehn Sekunden, ließ den Käfer an und folgte ihr.
Ab der ersten Kreuzung herrschte genügend Verkehr, um mir Deckung zu bieten, obwohl Misty meiner Meinung nach keinen Grund zu der Annahme hatte, dass sie verfolgt wurde. Sie fuhr gelassen und vollführte keinerlei abrupte oder trickreiche Manöver, die irgendwelche Befürchtungen in Bezug auf den dreizehn Jahre alten hellblauen VW Käfer hätten vermuten lassen, der drei Wagen hinter ihr fuhr.
Unser Weg führte uns in die Stadt. An der East 4th bog sie rechts ab und fuhr nach einem halben Block auf einen kleinen Parkplatz zwischen einem Asien-Restaurant und einem Mini-Supermarkt, auf dessen Markise stand: Lebensmittel * Bier * Spielautomaten. Ich drosselte das Tempo und hielt am Straßenrand. Dort breitete ich den Stadtplan von Reno aus und studierte die Straßen. Ich weiß nicht, warum ich mir solche Mühe gab, meine Absichten zu verschleiern. Misty schien mich überhaupt nicht zu bemerken, und auch sonst kümmerte es keine Menschenseele in Reno, was ich trieb. Ich sah sie den Laden betreten und nutzte die Gelegenheit, um ebenfalls auf den Parkplatz
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