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Kinsey Millhone 18 - Ausgespielt

Kinsey Millhone 18 - Ausgespielt

Titel: Kinsey Millhone 18 - Ausgespielt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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dachte ich, während ich ihn durchs Lokal gehen sah, und versuchte, ihn so wahrzunehmen wie bei unserer ersten Begegnung. Da hatte ich ihn sexy und attraktiv gefunden, doch diese Vorzüge waren dahin. Jetzt sah ich ihn, wie er war — ein Mann, der es gewohnt ist, seinen Willen durchzusetzen. Die Welt drehte sich um ihn, und andere waren lediglich dazu da, seinen Launen zu entsprechen. Ob er wohl fähig war zu töten? Möglicherweise. Vielleicht nicht eigenhändig, aber er hätte es delegieren können. Verspätet lief mir ein warmer Tropfen Schweiß den Rücken hinab. Ich holte tief Luft, und als Cheney auftauchte, war ich wieder ruhig, aber auch ein wenig verwirrt.
    Er rutschte neben mir auf die Bank und schob mir ein gefaltetes Blatt Papier hin. »Sag bloß nicht, ich hätte dir nie einen Gefallen getan. Die Adresse ist ein gemietetes Haus. Misty wohnt seit dreizehn Monaten dort.«
    »Danke.« Ich warf einen Blick auf die Adresse und steckte das Blatt ein.
    »Was gibt’s zu schmunzeln? Du wirkst ziemlich selbstzufrieden.«
    »Wie lange kenne ich dich? Zwei Jahre, stimmt’s?«
    »Mehr oder weniger. Richtig kennst du mich erst seit letzter Woche.«
    »Weißt du, was mir aufgefallen ist? Ich habe dich nie angelogen.«
    »Das will ich hoffen.«
    »Ich meine es ernst. Ich bin eine geborene Lügnerin, aber dich habe ich bisher nie angelogen. Damit fällst du in eine ganz eigene Kategorie... na gut, abgesehen von Henry. Den habe ich, glaube ich, auch noch nie angelogen. Jedenfalls nicht bei etwas Wichtigem.«
    »Das hört man gern. Vor allem gefällt mir, dass du >bisher< sagst. Du bist der einzige Mensch, den ich kenne, der so etwas sagt und sich auch noch einbildet, es sei ein Kompliment.«
    Rosie kam wieder an den Tisch, und als sie Cheney entdeckte, warf sie mir einen fragenden Blick zu. Sie sah mich selten mit einem Mann, geschweige denn mit zweien an einem Abend. Cheney bestellte sich ein Bier. Als sie weg war, stützte ich das Kinn auf die Faust, um ihn anzusehen. Sein Gesicht war glatt, und nur an den Außenwinkeln seiner Augen war ein hauchdünnes Netz von Fältchen zu erkennen. Er trug ein dunkles Wildledersakko im Farbton von Kaffeesatz. Dazu ein beiges Hemd und eine braune Seidenkrawatte, die leicht schief hing. Ich fasste hinüber und rückte sie gerade. Er ergriff meine Hand und küsste mich auf den Zeigefinger.
    Ich lächelte. »Hattest du schon mal eine Affäre mit einer älteren Frau?«
    »Sprichst du von dir? Da muss ich dich aufklären, Kindchen. Ich bin älter als du.«
    »Bist du nicht.«
    »Ich bin neununddreißig. April 1948.« Er zückte seine Geldbörse, klappte sie auf, nahm seinen Führerschein heraus und hielt ihn mir hin.
    »Wahnsinn. Du bist Jahrgang 1948?«
    »Was hast du gedacht, wie alt ich bin?«
    »Jemand hat mir gesagt, du seist vierunddreißig.«
    »Lügen. Nichts als Lügen. Du darfst kein Wort von dem glauben, was du auf der Straße hörst.« Er steckte seinen Führerschein wieder in die Geldbörse, klappte sie zu und steckte sie in die Hosentasche.
    »Dann hast du dich ja noch besser gehalten, als ich dachte. Sag mir noch mal Tag und Monat. Ich habe nicht genau hingesehen.«
    »Am achtundzwanzigsten April. Ich bin Stier, genau wie du. Deshalb verstehen wir uns ja so gut.«
    »Stimmt das?«
    »Klar. Schau uns doch an. Wir sind Erdzeichen. Wir sind die Pfadfinder des Tierkreises. Entschlossen, praktisch, zuverlässig, gerecht, stabil — anders ausgedrückt sterbenslangweilig. Auf der anderen Seite sind wir eifersüchtig, besitzergreifend, eigensinnig und selbstgerecht — also ganz sympathisch, oder? Wir hassen Veränderungen. Wir hassen Unterbrechungen. Wir hassen es, gehetzt zu werden.«
    »Glaubst du das wirklich alles?«
    »Nein, aber du musst zugeben, dass etwas dran ist.«
    Rosie brachte Cheneys Bier. Ich sah ihr an, dass sie gern ein bisschen geblieben wäre, um Bruchstücke unserer Unterhaltung aufzuschnappen. Doch wir hüllten uns beide in Schweigen, bis sie wieder weg war.
    »Beck war hier«, sagte ich schließlich.
    »Du wechselst das Thema. Ich würde lieber über uns sprechen.«
    »Voreilig.«
    »Dann könnten wir ja vielleicht über dich reden.«
    »Kommt nicht infrage.«
    »Zum Beispiel gefällt es mir, dass du dich nicht schminkst.«
    »Ich war zweimal geschminkt. Am ersten Tag beim Mittagessen und dann neulich abends.«
    »Ich weiß. Daran habe ich ja gemerkt, dass ich Chancen habe, dich ins Bett zu kriegen.«
    »Cheney, wir müssen über Reba sprechen. Ich fahre

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