Kirschenküsse
gewesen. Dass ich herausgefunden hatte, wer es wirklich war. Ich an Normans Stelle hätte wissen wollen, was mich zu diesem Sinneswandel bewogen hatte.
Doch er sagte nur: »Eigentlich bist du ganz in Ordnung, Sina.«
Hatte ich mich verhört? War mir heute Morgen beim Duschen etwa Wasser in mein Hörorgan gelaufen oder hatte er das tatsächlich gesagt?
Ich musste ziemlich verdattert dreingeschaut haben, denn Norman fühlte sich dazu genötigt, hinzuzufügen: »Ehrlich jetzt, ich mag dich eigentlich. Aber die anderen in der Schule …«
Er stockte, und ich wusste, was er meinte. Die Schule machte es einem manchmal wirklich nicht leicht, zuzugeben, dass man jemanden mochte. Redete man beispielsweise mit der Außenseiterin, musste man befürchten, gleich für genauso uncool gehalten zu werden wie sie. Man brauchte schon viel Selbstvertrauen, um jemanden gegen seine lästernden Freunde zu verteidigen, anstatt den einfachen Weg zu gehen und bei den Lästereien mitzumachen. In Bezug auf Ivy war ich auch nicht viel besser als Norman. Na gut, vielleicht nicht ganz so schlimm, schließlich war er der Redenführer seiner Clique!
»Wir können ja zu Hause wieder so tun, als ob wir uns wirklich nicht leiden können«, schlug ich vor, grinste ihn an und hielt ihm die Hand hin. »Aber ein Bein stellst du mir nicht mehr, okay? Sonst überleg ich es mir mit dem Friedensangebot noch mal.«
»Ist gut.«
Norman nahm meine Hand, noch ein bisschen zögerlich, aber immerhin. Zu meiner Überraschung ist sie überhaupt nicht so klebrig, wie ich es mir immer vorgestellt hatte. Ein bisschen feucht vielleicht, aber das ließ sich verschmerzen. Jetzt hieß es abwarten, wie ehrlich er es meinte und wie es sein würde, wenn wir wieder zur Schule gingen. Bis dahin waren es immerhin noch fünf Wochen.
»Also dann«, sagte er ein wenig verlegen, brachte aber auch noch ein schiefes Grinsen zustande. Er wandte sich zu seinen Kameraden um, die das Ganze aus einiger Entfernung und mit etwas einfältigen Mienen verfolgt hatten. »Wir sehen uns.«
»Wir sehen uns«, entgegnete ich lächelnd und kehrte dann zu Anett zurück.
»Was hattest du denn mit dem zu bereden?«, fragte sie mich neugierig.
»Ich habe mich bei ihm entschuldigt wegen der Schlägerei. Das war das Mindeste, was ich tun musste.«
Anett zog erstaunt die Augenbrauen hoch, doch sie kam nicht dazu, nachzufragen, warum ich das getan hatte.
»Meine Herrschaften, bevor der Reisebus anrückt, um uns nach Hause zu bringen, möchte ich noch die Preisträger des Wettbewerbs bekannt geben!«, tönte es über unsere Köpfe hinweg. Ich schaute mich erneut um, ob ich Thomas irgendwo sah, doch Fehlanzeige.
Herr Heidenreich stand bei seiner Ansprache offenbar so dicht vor dem Mikrofon des DJs, dass sich die Töne überschlugen und schließlich in einem ohrenbetäubenden Quietschen gipfelten. Verärgert murmelte er nun irgendwas vor sich hin, fand aber gleich wieder zu seiner fröhlichen Miene zurück. Irgendwie schien er mit seinem Leben sehr zufrieden zu sein. Oder warf er kleine bunte Glückspillen dafür ein? Jedenfalls redete er nun noch ein wenig darüber, dass die Jury es nicht leicht gehabt hätte, die Gewinner zu küren, weil alle für sich sehr gut waren – blablabla. Dann kam er endlich zur Sache.
»In der Kategorie Bildhauerei hat gewonnen …« Er machte eine dramatische Pause und alle spitzten die Ohren.
»Vanessa Markward!«
Vereinzelter Jubel wurde laut und die Preisträgerin trat nach vorn. Es war das Froschmädchen. Oder besser gesagt, das Mädchen, das den Frosch im T-Shirt gehabt hatte. Das schien jetzt vergessen zu sein, denn mit einem triumphierenden Strahlen nahm sie die Urkunde entgegen.
»So«, sagte Herr Heidenreich und versuchte erneut, mit eingebauten Pausen die Spannung zu steigern. Was ihm auch gelang. »Kommen wir nun zu den Malern.«
War ja klar, dass die Modemacher als Letztes drankamen!
Der Preisträger bei der Malerei hieß Stefan Hinz. Der war mir bislang nicht aufgefallen, Anett dafür anscheinend umso mehr, denn sie jubelte plötzlich los. Ich schaute sie neugierig von der Seite an, kam aber nicht dazu, sie zu löchern.
»Kommen wir jetzt zu den Modemachern.«
Aha, die Stunde der Wahrheit! Ich versuchte, Nicole in der Menge auszumachen. Noch immer ging sie mir aus dem Weg, was ja eigentlich gar nicht nötig gewesen wäre. Auch jetzt sah ich sie nicht. Entweder stand sie ganz hinten oder hatte sich irgendwohin verkrochen.
»Die Gewinnerin heißt
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