Kishons beste Familiengeschichten.
Ko… Kopenhagen… da: Kopernikus, Nikolaus, deutscher Astronom (1473-1543)… Eine halbe Seite ist ihm gewidmet. Eine volle halbe Seite und kein einziges Wort über die Erddrehung. Offenbar haben auch die Herausgeber des Lexikons vergessen, was man ihnen in der Schule beigebracht hat.
Ich begebe mich in das Zimmer meines Sohnes. Ich lege meinem Sohn mit väterlicher Behutsamkeit die Hand auf die Stirne und frage ihn, wie es ihm geht.
»Du hast überhaupt keine Ahnung von Astronomie, Papi«, läßt mein Sohn sich vernehmen.
Höre ich recht? Ich habe keine Ahnung? Ich?! Unverschämt, was so ein kleiner Bengel sich erfrecht!
Die Erinnerung an Salman Levisch gibt mir neue Kraft: »Und sie bewegt sich doch!« erkläre ich mit Nachdruck. »Das hat Galileo vor seinen Richtern gesagt. Kapierst du das denn nicht, du Dummkopf? Und sie bewegt sich doch!«
»In Ordnung«, sagt Amir. »Sie bewegt sich. Aber wieso um die Sonne?«
»Um was denn sonst? Vielleicht um die Großmama?«
Kalter Schweiß tritt mir auf die Stirne. Mein väterliches Prestige steht auf dem Spiel.
»Das Telefon!« Ich sause zur Türe und in mein Zimmer hinunter, wirklich zum Telefon, obwohl es natürlich nicht geläutet hat. Vielmehr rufe ich jetzt meinen Freund Bruno an, der als Biochemiker oder etwas dergleichen tätig ist.
»Bruno«, flüstere ich in die Muschel, »wieso wissen wir, daß sich die Erde um die Sonne dreht?«
Sekundenlange Stille. Dann höre ich Brunos gleichfalls flüsternde Stimme. Er fragt mich, warum ich flüstere. Ich antworte, daß ich heiser bin, und wiederhole meine Frage nach der Erddrehung.
»Aber das haben wir doch in der Schule gelernt«, stottert der Biochemiker oder was er sonst sein mag. »Wenn ich nicht irre, wird es durch die vier Jahreszeiten bewiesen… besonders durch den Sommer…«
»Eine schöne Auskunft, die du mir da gibst«, zische ich ihm ins Ohr. »Das mit den vier Jahreszeiten bleibt ja auch bestehen, wenn die Lampe bewegt wird und die Schachtel mit den Reißnägeln nicht herunterfällt! Adieu.«
Als nächstes versuche ich es bei meiner Freundin Dolly. Sie hat einmal Jus studiert und könnte von damals noch etwas wissen.
Dolly erinnert sich auch wirklich an das Experiment mit Fouchers Pendel aus der Physikstunde. Soviel sie weiß, wurde das Pendel auf einem freistehenden Kirchturm aufgehängt und hat dann Linien in den Sand gezogen. Das war der Beweis.
Allmählich wird mir die Inquisition sympathisch. Freche, vorlaute Kinder, die nur darauf aus sind, ihre Altvorderen zu blamieren, sollten sich hüten! Woher ich weiß, daß die Erde sich um die Sonne dreht? Ich weiß es und Schluß. Ich spüre es in allen Knochen.
Mühsam schleppe ich mich an meinen Schreibtisch zurück, um weiter zu arbeiten. Wo ist der Radiergummi?
»Papi!« Der Rotkopf steht schon wieder vor mir.
»Also bitte – was dreht sich?«
Tiefe Müdigkeit überkommt mich. Mein Kopf schmerzt. Man kann nicht sein ganzes Leben kämpfen, schon gar nicht gegen die eigenen Kinder.
»Alles dreht sich«, murmele ich. »Was geht’s dich an?«
»Du meinst, die Sonne dreht sich?«
»Darüber streiten sich die Gelehrten. Heutzutage ist alles möglich. Und zieh schon endlich deine Socken hinauf!«
Eiserner Vorrat
Es ließ sich nicht länger leugnen, daß ich einen bitteren Nachgeschmack im Munde verspürte, und zwar schon seit Wochen. Ich suchte einen Psychiater auf, der mich ausführlich über meine Kindheitserlebnisse, meine Träume und die Erfahrungen meines Ehelebens befragte. Er kam zu dem Ergebnis, daß der bittere Nachgeschmack in meinem Mund von einem falsch sublimierten Trauma herrührte, das seinerseits auf den Mangel an Zucker in meinem Frühstückskaffee zurückging.
Auf diese Weise stellte sich heraus, daß meine Frau, die beste Ehefrau von allen, mich schon seit Wochen auf einer zuckerlosen Diät hielt.
»Was soll das?« fragte ich daraufhin die beste Ehefrau von allen. »Ich will Zucker haben!«
»Schrei nicht«, erwiderte sie. »Es gibt keinen Zucker. Es gibt ihn nirgends.«
»Wo sind unsere Zuckerrationen?«
»Die habe ich weggesperrt. Für den Fall, daß es einmal keinen Zucker mehr gibt.«
»Jetzt sind wir so weit. Es gibt keinen Zucker mehr.«
»Eben. Und du möchtest natürlich gerade jetzt, wo es keinen Zucker gibt, im Zucker wühlen. Jeden Augenblick kann der Atomkrieg ausbrechen – und wie stehen wir dann da? Ohne Zuckervorräte?«
»Mach dich nicht lächerlich«, sagte ich. »Ich gehe jetzt
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