Kiss and kill: Thriller (German Edition)
hatte, wie sie gefürchtet hatte, dass jeder Tag ihr letzter sein könnte. Aber sie hatte nie aufgegeben.
»Wir mussten sie alle umbringen«, erzählte Griff ihr.
»Nachdem wir York getötet hatte, mussten wir seine Wachen ausschalten. Sie waren angeheuerte Handlanger, die für Geld alles machten.«
»Wie viele waren es?«
»Zehn.«
Schweigen.
Nic saß still da, den Blick nach unten gerichtet. Ihr Atem ging ruhig und gleichmäßig. Dann sah sie ihn an. In ihren Augen erkannte er nichts als Mitgefühl und Verständnis.
»Du hast das Gefühl, dass ihr Blut an deinen Händen klebt«, sagte Nic nach einer Weile. »Obwohl sie bezahlte Söldner waren, die alles taten, was York von ihnen verlangte, wünschst du dir, du hättest sie nicht töten müssen.«
»Sie waren Menschen.«
»Aber für euch hieß es, töten oder getötet werden. Ihr hattet keine andere Wahl.«
»Wir dachten zu der Zeit, wir hätten keine andere Wahl. Rückblickend bin ich mir nicht sicher.«
»Welchen Sinn hat es zurückzublicken? Lern daraus und lass es los. Ist das nicht Yvettes Rat?«
»Yvette ist sehr weise.«
»Sehr. Wunderschön, weise, übersinnlich und reich.«
»Reich?«, fragte Griff.
»Wenn sie Yorks Witwe ist und er ein Milliardär war …«
» Ich habe Yorks Milliarden, nicht Yvette!«
»Wie das?«
»Wir haben sechs Jahre damit verbracht, Yvettes rechtmäßiges Erbe einzufordern, auf legalem und auch illegalem Wege. Einiges von Yorks Geld steckte in gesetzlich untadeligen Unternehmen, anderes in solchen, die dem organisierten Verbrechen zugerechnet wurden, und wieder anderes in Ländern, die Verbindungen zu terroristischen Organisationen unterhielten.
Yvettes Vater war Diplomat, und die Familie ihrer Mutter hatte Verbindungen in alle europäischen Länder. Sie nutzte diese Verbindungen, um uns Türen zu öffnen. Und Sanders war ein Gurkha-Soldat gewesen, genau wie sein halb-englischer, halb-nepalesischer Vater. Die Gurkhas gelten bis heute als die meistgefürchteten Krieger weltweit, weil sie über Kampffertigkeiten verfügen, die ihresgleichen suchen. Das Wissen und das Können, das er mir vermittelte, erhielt mich auf Amara am Leben und half mir nicht bloß in unseren Schlachten gegen Anwälte und Richter, sondern auch bei den Verhandlungen mit all den zahllosen Teufeln, gegen die wir für Yvette antreten mussten.«
Er holte tief Luft und fuhr fort: »Yvette blieb das erste Jahr nach Amara bei uns, kehrte dann aber an die medizinische Hochschule zurück und machte ihr Praktikum in London, während Sanders und ich ihr Erbe sicherten. Am Ende gehörte ihr fast alles, was York besessen hatte.«
»Und was geschah dann?«, fragte Nic. »Habt ihr das Vermögen unter euch aufgeteilt oder …«
»Weder Sanders noch Yvette wollten Yorks Blutgeld.«
»Du aber schon.«
»Ja, ich schon. Zu der Zeit dachte ich, ich hätte es verdient. Ich dachte, wir alle hätten es verdient. Yvette überschrieb mir alles. Ich richtete für sie und Sanders Konten mit unbegrenztem Kreditrahmen ein. Seitdem hat keiner von ihnen je auch nur einen Cent von dem Geld angefasst.
Als ich schließlich nach zehn Jahren nach Hause zurückkehrte, in die USA, nach Tennessee, beschloss Sanders, mit mir zu kommen. Es war seine Entscheidung, die Rolle meines Dieners zu übernehmen, und bald begriffen wir beide, dass es uns mit dieser Aufteilung besser ging. Zuerst verprasste ich eine Menge Geld, indem ich mir alles kaufte, von dem ich glaubte, dass ich es brauchte. Aber es dauerte nicht mal ein Jahr, bis mir klarwurde, dass ich mit dem Geld etwas ausrichten könnte, nein, nicht könnte … musste.«
»Und da hast du die Powell Private Security and Investigation Agency gegründet«, folgerte Nic, »und dir vorgenommen, alles für Leute zu tun, die von anderen verletzt wurden, etwas gegen die Verbrecher zu unternehmen, die andere Leben zerstören und …«
Er fasste ihre Schultern. »Egal, was ich tue, wie viel ich für wohltätige Zwecke spende, wie viele Kriminelle ich zu überführen helfe, es ändert nichts daran, wer ich bin und was ich tat.«
»Du bist nicht perfekt«, sagte Nic. »Das ist keiner. Ja, deine Vergangenheit unterscheidet dich von den meisten anderen Menschen. Die grauenhaften Dinge, die dir auf Amara widerfahren sind, haben den Mann mit geprägt, der du heute bist. Aber begreifst du denn nicht, dass du genauso böse hättest werden können wie York und doch nicht so wurdest? Und zwar deshalb nicht, weil du ein guter Mensch bist. Du
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