Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kite

Kite

Titel: Kite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Crouch
Vom Netzwerk:
mir ins Bad.«
    Lucy erschien mit Luther im Rollstuhl vor der Tür. Er starrte mich mit seinen pechschwarzen Augen an. »Andrew hat seine Menschlichkeit verloren«, sagte er. »Aber ein winziger Rest istnoch übrig geblieben. Deswegen ist er auch gescheitert. Er hat zu viele Überlebende zurückgelassen. So was wird einem zum Verhängnis.«
    »Wissen Sie, wo mein Baby ist, Luther? Bitte.«
    Nach einer Pause sagte er: »Andrew hat stets bedauert, was er Violet angetan hat. Violet und ihrem Sohn. So geht es oft. Wir alle machen Dinge kaputt. Aber manchmal …«, er fuhr sich mit der Zunge über die dünnen, farblosen Lippen, »manchmal versuchen wir, das, was wir kaputt gemacht haben, wieder zu richten.«
    Das Letzte, was ich von ihm sah, war, wie Lucy ihn im Rollstuhl davonschob.
    Dann ging die Tür auf und wieder zu. Jemand schrie, ein Schuss knallte. Mein Herzschlag setzte für eine Sekunde aus.
    War das der Polizist, der auf Phin aufpasste?
    Hatte er Lucy erwischt?
    Oder sie ihn?
    Oder … Gott bewahre … einen von meinen Jungs?
    Ich blieb still. Es hatte keinen Sinn, um Hilfe zu rufen. Auf den angrenzenden Stockwerken konnte man die Schüsse hören, und die Nachricht würde sich im ganzen Krankenhaus wie ein Lauffeuer verbreiten.
    Weniger als eine Minute später tauchten Harry und Herb im Bad auf. Beide hielten Pistolen in den Händen.
    »Was ist mit Phin?«, fragte ich.
    »Der ist sicher«, sagte Herb. »Vor der Tür liegt ein toter Polizist. Hier ist die Hölle los. Was zum Teufel ist passiert?«
    »Schau, dass du den Schlüssel für die Handschellen findest.« Ich hielt den Arm hoch, wollte unbedingt freikommen. »Wir müssen uns beeilen, Herb. Ich glaube, ich weiß, wo mein Baby ist.«

    Nachdem ich Andrews Geschichte gehört hatte, ergab alles einen Sinn.
    Ich ging ein Risiko ein, indem ich nicht zuerst die Behörden verständigte. Ein Risiko, das während der langen Autofahrt schwer auf mir lastete. Aber ich wollte nicht, dass ein Spezialeinsatzkommando das Haus mit Waffengewalt stürmte. Ich hatte schon einmal erlebt, wie so etwas schiefging.
    Mir blieb nichts weiter übrig, als mir immer wieder einzureden, dass mein Baby in Sicherheit war und dass ich es unbehelligt wiederbekommen würde.
    Die Jungs hatten darauf bestanden, mich zu begleiten, obwohl sie ziemlich lädiert waren. Wir mussten Formulare unterschreiben, mit denen wir bestätigten, dass wir das Krankenhaus gegen ärztlichen Rat verließen.
    Phin war besonders angeschlagen, aber ihn daran zu hindern, seine Tochter zu suchen, wäre genauso, als wenn man versuchte, eine Flut mit einem einzigen Sandsack zu stoppen.
    Angespornt durch ihre neu entdeckte Männerfreundschaft und ein paar starke Schmerzmittel, machten Harry und Herb die Fahrt sowohl erträglich als auch unerträglich, indem sie alte Lieder von Neil Diamond sangen.
    Am Anfang war es ja ganz lustig, aber nach der fünften Darbietung von »Song Sung Blue«, dessen Text keiner von ihnen vollständig kannte, knirschte ich so heftig mit den Zähnen, dass ich Granit hätte zermahlen können.
    Als wir endlich in Peoria ankamen, prüfte ich sicherheitshalber nach, ob die Trommel meines Colts voll war – obwohl ich hoffte, die Waffe nicht zu brauchen.
    »Harry und Herb, ihr nehmt den Hintereingang. Schließt mit dem Dietrich auf. Phin, du bleibst lieber hier.«
    »Den Teufel werde ich tun.«
    »Du hast eine schwere Operation hinter dir.«
    Er verdrehte die Augen, als wollte er sagen, dass das nur eineKleinigkeit war, dann schnappte er sich den zweiten Schlüssel. Wir zwängten uns aus meinem Nissan Juke und gingen auf Violet Kings Haus zu.
    Das hier musste der richtige Ort sein.
    Andrew hatte ihr seine Tantiemenschecks geschickt.
    Andrew hatte sich schuldig gefühlt, weil sie ihr Baby verloren hatte.
    Jemand musste Andrew geholfen haben, sich aus diesen Kabelbindern zu befreien. Das Detroit Police Department hatte die Videoaufnahmen zwar noch nicht entschlüsselt, aber mein Bauchgefühl sagte mir, dass sie es getan hatte.
    Die Flasche Sam Adams Cherry Wheat war der entscheidende Hinweis gewesen.
    Und meine Ahnung bestätigte sich, als ich an die Tür trat und drinnen wunderschönes melodisches Babygeschrei hörte.
    Phin hatte Nähte von seiner Operation und mir ging es auch nicht viel besser, also brachten wir unseren Universalschlüssel mit – eine mit Zement gefüllte Farbdose. Ein Schlag gegen das Schloss, und schon sprang die Tür auf.
    Wir stürmten ins Innere.
    Violet saß auf

Weitere Kostenlose Bücher