Kjell. Das Geheimnis der schwarzen Seerosen
Wasserpflanze hängen konnte und
es waren auch weit und breit keine Seerosen zu entdecken. Die
Gedanken rasten durch meinen Kopf. ›Ich darf nicht ertrinken!
Nicht hier!‹
Da kam plötzlich
ein Ruck aus der Tiefe und ich wurde mit dem Kopf unter Wasser
gezogen. Überrascht schrie ich auf und sofort entwich alle Luft
aus meinen Lungen. Die Luftblasen tanzten um mich herum. So sehr ich
auch die Augen aufriss, ich konnte außer dunklem Wasser nichts
erkennen.
Plötzlich
packte mich jemand und zog mich am Arm zur Wasseroberfläche. Ich
prustete und schnappte nach Luft. Die Sonne war so hell, dass sie die
Wasseroberfläche funkeln ließ. Ich blinzelte mehrfach
dagegen an, bevor ich das Gesicht des Jungen erkennen konnte, der
mich in seine Arme gezogen hatte. Er hatte fast schwarzes Haar. Um
seinen Mund lag ein grimmiger Zug. Während sein linker Arm mich
wie ein Schraubstock umklammert hielt, schwamm er mit mir auf das
Ufer zu. Obwohl er mich als Last hatte, bewegte er sich sehr
geschmeidig und sicher. Am Strand ließ er mich sofort los.
Meine Beine waren vor Schreck noch ganz weich, so dass ich kurz auf
die Knie sank, als ich versuchte aufzustehen. Der Junge sah auf mich
herab. Ein Funkeln lag in seinen Augen. Mir fiel ein, dass ich mich
vor lauter Überraschung noch gar nicht bei ihm bedankt hatte.
Vorsichtig rappelte ich mich wieder auf und blickte zu ihm hoch. Er
war gut ein Kopf größer als ich.
»Tack
… Danke …«, begann ich zittrig. »Du hast
mich gerettet.« Ich brachte ein unsicheres Lächeln
zustande.
Der Junge antwortete
nicht. Er musterte mich mit einem abschätzigen Blick von oben
bis unten. Ich war mir nicht sicher, ob es sich bei meinem
unbekannten Retter tatsächlich um einen Einheimischen handelte.
Seine dunklen Haare irritierten mich. Sie standen ganz im Gegensatz
zu seiner blassen Haut. Er trug nur eine alte zerschlissene Jeans,
die jetzt klitschnass war und er sah verdammt gut darin aus. Ich
schätzte, dass er ungefähr in meinem Alter sein musste.
Vielleicht war er etwas älter, doch bestimmt nicht mehr als zwei
oder drei Jahre. Vielleicht war er ein Tourist, so wie ich.
Vermutlich sprach er gar kein Schwedisch. Doch nachdem er sich lässig
eine Haarsträhne aus dem Gesicht gestrichen hatte, antwortete er
mir im perfekten Schwedisch und dem typischen Akzent der Region:
»Dieser See ist kein Planschbecken für Nichtschwimmer.
Wenn du keine geübte Schwimmerin bist, solltest du lieber im
flachen Wasser oder am besten gleich an Land bleiben, um dich zu
sonnen, oder was Mädchen sonst so machen.«
Mir blieb der Mund
offen stehen. Das war ja wohl die Höhe! Ich war schon in diesem
See geschwommen als ich sechs Jahre alt war. Was bildete sich dieser
ungehobelte Typ eigentlich ein?
»Ich bin eine
sehr gute Schwimmerin, damit du es nur weißt…«,
begann ich trotzig. Doch der Junge winkte ab. Er drehte sich um und
lief ohne ein weiteres Wort auf den Wald zu.
»Hej!«,
rief ich ihm nach. »Warte …«
Aber er verschwand
zwischen den Bäumen ohne noch einmal stehen zu bleiben.
»Ich hätte
das auch ohne dich geschafft! Bilde dir bloß nichts darauf
ein!«, rief ich ihm aufgebracht hinterher.
»Das gibt es
doch nicht! So ein, ein … eingebildeter Affe!«,
schimpfte ich immer noch vor mich hin, als ich das Boot wieder ins
Wasser schob. Ich war wütend. Eigentlich konnte ich mir gar
nicht erklären, warum ich so sauer war. Immerhin hatte der
fremde Junge mir das Leben gerettet und vielleicht war es wirklich
unvernünftig ganz allein schwimmen zu gehen. Doch sein Verhalten
mir gegenüber war unmöglich gewesen. Ich ruderte zurück.
Ich war so in Gedanken, dass ich mich wunderte, wie schnell ich
wieder beim Sommerhaus ankam. Dort vertäute ich das Ruderboot am
Anleger und holte meine Tasche und die Angelrute aus dem Boot. Der
Unbekannte beschäftigte mich noch immer. Wer war er? Was machte
er hier? Wie hatte er so schnell dort sein können, als ich unter
Wasser gezogen wurde? Ich hatte weit und breit keine Menschenseele
gesehen.
Nur eines war mir
klar: Er war ein komplett unmöglicher, unfreundlicher und
anmaßender Typ.
»Vollidiot!«,
schimpfte ich laut, griff meine Sachen und stapfte die Wiese hoch
Richtung Haus.
Erst
nachdem ich lange heiß geduscht hatte, beruhigte ich mich
wieder. Danach setzte ich mich mit einem Kanelbullar – einer
schwedischen Zimtschnecke – und einer Tasse Milchkaffee auf die
Veranda in die Sonne. Während ich den Kaffee trank, überlegte
ich, was ich heute
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