Kjell. Das Geheimnis der schwarzen Seerosen
erklären.
Wie erstarrt stand ich da und blickte zu den Bäumen. Dann
schüttelte ich den Kopf und legte die Riemen ein. Ich würde
nicht anfangen, mich zu fürchten, nur weil ich allein war. Rune
hatte mich mit seinen Worten doch nicht etwa verunsichert?
Ich
stieß das kleine Boot vom Ufer ab und ruderte energisch los:
Zuerst unter der kleinen Holzbrücke hindurch und dann weiter
Richtung Fängen.
Das Boot glitt durch einen schmalen Durchgang mit hängenden
Zweigen und dann befand ich mich auf dem großen See. Der Wind
strich über das Wasser und kräuselte es. Irgendwo in der
Ferne stieß ein Fischreiher einen Schrei aus. Nein, es war
alles in Ordnung.
Das Wasser schwappte
in kleinen Wellen gegen das weiße Boot. Ich war das Rudern
nicht mehr gewöhnt, legte mich jedoch kräftig in die
Riemen, als ich aus der schützenden Bucht immer weiter auf den
offenen See fuhr. Der Wind und die Wellen sorgten für
ordentlichen Widerstand. Morgen würde ich bestimmt Muskelkater
haben. Der Frühnebel hatte sich schon fast ganz verzogen. Nur
vereinzelte Schwaden hingen noch zwischen den Bäumen am Seeufer,
aber auf dem Wasser war es klar und sonnig. Ich umfuhr einen
ausgedehnten Schilfgürtel. Dort gab es einige Untiefen und man
konnte am Rand sehr gut fischen. Kurz überlegte ich, den Anker
zu werfen und mein Glück zu versuchen. An dieser Stelle des Sees
hatten Ben und ich einmal einen kapitalen Hecht an der Angel gehabt.
Leider riss er sich vom Haken los. Den ganzen Tag versuchte Ben, den
Fisch noch einmal an seine Angel zu bekommen. Doch der Hecht war zu
schlau gewesen, erneut auf unsere Löffelblinker hineinzufallen.
Irgendwann hatte Ben den Kopf geschüttelt und eingesehen: »Den
locken wir nicht mehr aus dem Schilf hervor. Weißt Du, Sofie,
die alten, großen Hechte sind sehr schlau. Sie merken sich,
wenn ein Köder nicht gut war. Die jungen Hechte kann man eher
wieder zum Anbeißen verführen, weil sie ständig
hungrig sind und viel mehr fressen müssen als die Alten.«
Ich hatte Ben mit
großen Augen angesehen und genickt. Ben war so klug gewesen. Er
kam mir – mit seinen 12 Jahren immer so erwachsen vor. Ich
bewunderte meinen großen Bruder sehr. Wir mussten ohne Fisch
zurückrudern und es hatte zum Abendessen Köttbullar gegeben
– mindestens genauso gut wie Fisch.
Ich entschied mich,
mein Angelglück später am Tag zu versuchen. Jetzt wollte
ich erst mal weiter.
Hinter dem
Schilfgürtel konnte ich in der Ferne schon den hellen Strand der
Halbinsel sehen, die mein Ziel war. Ich steuerte direkt darauf zu. Es
war außer meinem, kein anderes Boot auf dem Fängen zu
sehen, obwohl im Wald einige Sommerhäuser lagen. Die kleine
Halbinsel jedoch, wo sich der Naturstrand erstreckte, war unbewohnt.
Ich würde also ganz ungestört baden können.
Der Sand knirschte
unter dem Schiffsrumpf, als ich den Strand erreichte. Ich sprang
heraus und zog das Boot weiter an Land.
Der Strand lag im
hellen Schein der Sonne und ich fühlte ein warmes Glücksgefühl
in mir aufsteigen. Mit Ben wäre es jetzt perfekt gewesen. Doch
es würde nie wieder perfekt sein. Ein kurzer Schatten zog über
mich, wie eine kleine Wolke vor die Sonne, und war genauso schnell
wieder verschwunden. Ich holte meine Strandtasche und die Decke
hervor und breitete alles auf dem Sand aus. Dann ging ich zum See und
steckte einen Fuß hinein. Trotz der Sonne war das Wasser sehr
kalt. Herbstlich kalt. Doch ich konnte nicht widerstehen. Ich musste
einfach hinein. Es war wirklich extrem frisch, aber ich biss die
Zähne zusammen und watete vorwärts. Als das Wasser meinen
Bauchnabel erreicht hatte, hielt ich die Luft an und warf mich
vorwärts. Ich musste einmal vor Kälte quicken, aber es war
herrlich. Ich schwamm ein paar kräftige Züge und mir wurde
mit jedem Zug wärmer. Das Wasser löste ein Prickeln auf
meiner Haut aus und ich fühlte mich zum ersten Mal seit langem
wieder lebendig. Ich schwamm noch ein Stück weiter, dann drehte
ich um und steuerte zurück auf den Strand zu, als ich plötzlich
nicht mehr vorankam. Etwas schien meinen Fuß festzuhalten. Ich
versuchte loszukommen. Irgendwo musste ich hängengeblieben sein
– an einem Ast oder einer Wasserpflanze. Doch so sehr ich mich
auch bemühte, ich kam nicht voran. Statt vorwärts zu
kommen, zog mich etwas nach unten. Ich konnte mich kaum über
Wasser halten. Wild schlug ich mit den Armen und wurde langsam
panisch. Warum kam ich nicht los? Es war doch viel zu tief, als dass
ich mit dem Fuß in einer
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