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Klang des Verbotenen

Klang des Verbotenen

Titel: Klang des Verbotenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Febel
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herabzufallen. Es war an der Zeit, nach Hause – nach Hause? – zu gehen.
    Doch Japón brach noch einmal das Schweigen. »Ich hab’s euch noch nie erzählt«, sagte er, »aber jetzt sollt ihr es erfahren – mein einziges Laster!«
    Er lächelte. »Jeden Tag gehe ich zum Fluss, sei es in Coria del Rio oder in der Stadt, spaziere an den Kais entlang, betrachte die Schiffe und frage dann in der Hafenaufsicht, was für Abfahrten anstehen. Man kennt mich schon, da wie dort. Nie aber ist Japan das Ziel – natürlich nicht, denn die Handelsbeziehungen sind seit Langem eingefroren, sind eisig wie die Berggipfel von Voxu -, und dennoch träume ich Tag für Tag davon, eine Galeone zu besteigen, wenn es denn sein muss, sogar sofort und ohne Gepäck, nur mit meinen Kleidern am Leib, dem Käpten mein letztes Geld auf den Tisch zu schütten und dann nach Hause zu fahren, endlich nach Hause! Doch ebenso wenig wie das Schiff kommen wird, war ich ja je dort. Woher kommt nur dieses unstillbare Heimweh? Oder ist es gar das Gegenteil, nämlich Fernweh? Aber nein, das ist es nicht, das fühlte sich anders an, denn auch das kannte ich, als ich jung war und davon träumte, die Sierra zu durchwandern. Was ich auch tat.«
    »Du wirst deinen Käpten finden«, sagte Escarlati. »Doch jetzt muss ich gehen.« Er legte Japón und Montoya je eine Hand auf die Schulter, sodass der Strom der Freundschaft durch alle drei fließen konnte. »Von dir zu dir, geradewegs mir durchs Herz«, lallte er. »Curro, Japón. Lebt wohl.«
    »Leb wohl«, sagte Japón.
    »Leb wohl«, sagte auch Curro.
    »Ja, eines Tages werde ich es tun«, fügte Japón hinzu, »eines Tages, ihr werdet es sehen, da heißt es auch für mich: Abschied nehmen …«
    »Ja«, sagten Domingo und Curro, »eines Tages heißt es Abschied nehmen.«
    »Nicht nur von hier oder dort – sogar vom Leben«, fügte Montoya hinzu. »Doch noch nicht jetzt. Trinken wir noch eins? Kommt!«
    Escarlati schüttelte den Kopf. »Kann nicht mehr.«
    »Ja, geht heim und schlaft euren Rausch aus!«, sagte der Wirt, als Domingo einige Münzen auf den Tresen knipste. »Sonst hört ihr nimmermehr auf zu reden: mir zu viel und euch um Kopf und Kragen.«
    »Kopf? Kragen?« Escarlati verstand nichts mehr.
    »Wer keinen Kopf mehr hat, der braucht auch keinen Kragen«, grinste Curro.
    »Ach so …«
    Domingo warf, ohne sich noch einmal umzudrehen, seine Rechte über die Schulter, ganz wie es Montoya immer tat, peilte dann die Türe an und durchschritt sie feierlich wie ein Portal in den Zauber der Nacht, blickte über sich und sah Sterne kreisen, dann nach unten auf den Weg nach Hause, ein endloser Weg, auf den er seine schwankenden Schritte setzte.

33
    Die Sonnenuhr an der Kirchenmauer zeigte fünf Uhr nachmittags: Der in den Raum hinausragende Metallstab warf seinen Schatten auf den Fächer der Linien, die in den Kalk gekratzt waren. Gleichzeitig wurden aber auch andere Zeiten dargestellt, zum Zweiten nämlich die feinen, verästelten und zitternden Ränder einer Baumkrone, welche die Wand ebenfalls beschatteten, und drittens die Gegenstunde eines Palmenstammes, dessen dicker Zeiger auf Nacht stand. Dies alles ineinandergreifend wie die drei Kalender der Maya, von denen die Conquistadores berichten.
    Eisen, unerbittliche Zeit des Menschen, dachte Domingo. Palme – Zeit dunkler Träume, und das Dritte? Zeit Gottes vielleicht, eine Uhr mit vielen, sich verzweigenden Zeigern, die im Wind vorund zurückfahren und auf alle Stunden zugleich weisen.
    Blütenblätter fielen aus der Uhr heraus.
    Einst, dachte er, war ich in Napoli, jetzt bin ich hier und bald in Madrid; doch Heimat ist das alles nicht …
    Von Coria del Rio, dem letzten Hafen vor Sevilla, war das Schiff aus Napoli mit Maria Catalina und ihrer beider Sohn an Bord gemeldet worden. Dort lag es für die Nacht vor Anker, und tags darauf würde es Sevilla erreichen.
    Escarlati war aufgeregt: neugierig und auch befremdet. So übel hatte es sich gar nicht angefühlt, allein zu sein – und er war dies ja auch nicht wirklich gewesen.
    Nachdenklich wanderte er am Fluss entlang, auf und ab, eine Stunde, zwei Stunden, spürte die Wärme des Sommerlichtes auf der Haut, hörte Vögel schreien und Taue knarren und blinzelte in die glitzernden Wellen des Guadalquivir.
    Eine Familie.
    Mit dem Schiff wird Euch hiermit eine Familie zugestellt. Für Euch ganz allein: eine Ehefrau sowie ein Kind. – Für diese seid Ihr nun verantwortlich, passt gut darauf auf, und bitte

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