Überfällig
1.
»Das Wasser ist kostbar, das Wasser ist naß, hurra – hurra, wie schmeckt uns das!«
»Lauter das ›Hurra‹, meine Herren, viel lauter. Sie wollen doch nicht etwa schlappmachen? Nach nur drei Stunden in dieser lächerlich kleinen Wüste? Watcher, einen Strafpunkt für Sie. Was, zur Hölle, denken Sie wohl, wie wertvoll eine Sauerstoff-Flasche mit hundert Litern ist, wenn Ihre Lungen danach lechzen? Auf der Tagesseite des Mondes herrschen noch andere Temperaturen, nur kann man dort nicht so gut atmen wie hier in dem Sandfleckchen. Watcher, sofort ausscheiden! Sie werden entlassen. Ich kann mich nicht erinnern, Ihnen den Befehl zum Öffnen des Druckhelms erteilt zu haben. Bleiben Sie hier stehen. Der Schrauber holt Sie ab. Na los schon!
Und nun weiter, meine Herren! Den Gesang nicht vergessen.«
Die roten Schleier vor meinen Augen lichteten sich etwas, doch der Schweiß rann weiterhin über mein aufgedunsenes Gesicht. Ich mußte völlig entstellt aussehen.
Meine Hand tastete langsam nach oben, wo irgendwo auf dem festen Formstück der Kombination der Knopf sitzen mußte. Ich drückte wieder und wieder; aber es geschah nichts.
Trotz meiner aufgesprungenen Lippen stieß ich kräftige Flüche aus. Die Schwingungen wurden vom Helmmikrophon aufgenommen und drangen verstärkt aus dem Lautsprecher des tragbaren Funksprechgerätes, das an der Schulter unseres Ausbilders baumelte.
Ich sah ihn lachen. Seine gelben Pferdezähne waren hinter den schmalen Lippen zu erkennen. Hören konnte ich ihn nicht, da er nicht in sein Mikrophon gelacht hatte. Immerhin genügte schon die Mundbewegung, um mich zur Weißglut zu reizen.
Watcher taumelte aus der Reihe und brach neben uns zusammen.
Aus, Watcher – keine Chance mehr! Im GWA-Trainingslager ›Höllentor‹ konnte man sich kein Mitleid leisten. Entweder man hielt durch bis zum Ende, oder man wurde von der Tauglichkeitsliste gestrichen.
Watcher hatte keine Aussichten mehr, und das schien er zu wissen. Er war restlos erschöpft. Nach dem dreistündigen Gewaltmarsch unter der glühenden Sahara-Sonne war das nicht verwunderlich.
Drei Stunden, sagen Sie? Nichts, gar nichts bedeutet diese Zeitspanne für den Wanderer auf schattigen Waldwegen. Wie schwer mag der Rucksack eines solchen Wanderers sein? Zwanzig Pfund oder gar dreißig.
Was aber sind dreißig Pfund! Alleine unsere Raumanzüge wogen in der normalen Erdgravitation fünfundsechzig Pfund. Das war die sogenannte ›federleichte Sonderanfertigung‹.
Dazu kamen noch die beiden Druckflaschen aus molekülverdichtetem Leichtstahl, die Regenerierungsanlage mit dem Funksprechgerät und außerdem die Klimaanlage mit der Mikro-Strombank nach dem Kotcher-Verfahren.
Wir trugen also Raumanzüge, die für Mondverhältnisse zugeschnitten waren. Insgesamt wog die Ausrüstung 92,6 Pfund. Das wäre noch einigermaßen erträglich gewesen, wenn man uns nicht gezwungen hätte, die halbrunden, transparenten Raumhelme zu schließen und ausschließlich über die Sauerstoffversorgung zu atmen. Alles hatte so zu sein, als marschierte man einsam und verlassen über die glühende Tagesseite des Erdtrabanten.
Nichts an unseren Körpern war unbedeckt. Die Kunstfaserkombinationen hüllten uns von Kopf bis Fuß ein. An den breiten Magnetgürteln hingen zahlreiche Gegenstände, Hilfswerkzeuge und die Waffe. Unter Berücksichtigung dieser Gerätschaften wurden unsere Körper mit mehr als einhundert Pfund belastet.
Eine Hölle war es; eine genau auf äußerste Inanspruchnahme berechnete Hölle. In den ersten Tagen hatten die Wüstenmärsche bei einer Belastung von fünfzig Pfund
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