Klappohrkatze auf Reisen
ein Uhr morgens und hörten zu, wie unser Freund Jean-Guy, ein Musiker, Gitarre spielte und seine romantischen Eigenkompositionen sang. Norton amüsierte sich über alle Maßen gut; hätte Jean-Guy nur irgendwelche Lieder auf Englisch gekannt, hätte ein Mitglied der Wandergruppe bestimmt hochzufrieden den Text von »Michael Row the Boat Ashore« mitmiaut.
Als wir in unser Haus zurückkehrten, erschien uns der ganze Tag fast wie ein Traum. Freundschaften waren gefestigt worden, neue Traditionen begründet, neue Kommunikationsebenen erreicht. Manchmal, wenn ich Vorträge über die Wunder meiner Katze halte, fühle ich mich ein bisschen schuldig und meine, ich müsste ein P.S. anfügen, was ich hiermit tue, dass gelegentlich Menschen – selbst relativ fremde – auch eine ganze Menge zu den guten Dingen im Leben beitragen können.
In Frankreich pflegt man einen Aberglauben, was das neue Jahr angeht. Man glaubt, dass die ersten zwölf Tage des Jahres entscheidend für unser Glück sind. Ist der erste ein guter Tag, wird man einen guten Januar haben. Verläuft der zweite Tag gut, dann auch der Februar. Falls Tag drei schön ist, wird auch der März ein Glücksmonat und so weiter. Ich kann mich nicht an alle Einzelheiten unserer ersten zwölf Tage des letzten Jahres erinnern, aber wir lebten auf jeden Fall unter einem Glücksstern. Oder vielleicht ist es einfacher, selbst für sein Glück zu sorgen, wenn man von echten Freunden, Monsieur Bonnellys Wein und einer Katze umgeben ist, die den Glanz und die Herrlichkeit der heißen provenzalischen Sonne zu schätzen weiß.
***
Wie alles Gute ging auch unser Auslandsjahr zu Ende.
Die Pflicht rief, von der Notwendigkeit zum Geldverdienen ganz zu schweigen.
In unseren letzten Wochen fuhren wir von Ort zu Ort – vom wenig touristischen Jucas und Murs über die herrlichen roten Felsen des Rousillon zu den kalten Ruinen von Oppede-le-vieux –, wir saugten alles in uns auf und versuchten uns nicht nur die großartigen Sehenswürdigkeiten einzuprägen, sondern auch die europäische Einstellung und das Gefühl von Lebensqualität, das wir zurück nach Amerika mitzunehmen hofften. Wir lunchten in dem wunderbaren Dorf Manosque, stopften uns mit Desserts aus der pâtisserie in Cabrières voll, besichtigten das wunderschöne St.-Rémy und die restliche Region, die man als Les Alpilles bezeichnet, und häufig saßen wir einfach in unserem Haus in Goult, tranken ein Glas gekühlten Rosé und staunten über die Herrlichkeiten, die wir in unserem eigenen Garten fanden.
An unserem letzten Abend in Goult gab unsere Freundin Anne ein kleines Essen. Nur unser engster Kreis französischer Freunde (eine der Frauen, Anette, war zwar Schwedin, galt aber ehrenhalber als Französin, da sie schon seit Jahren in Goult lebte).
Wir saßen um Annes Esstisch – Janis, Norton, ich und unsere neuen Freunde –, plauderten gemütlich und aßen selbstverständlich gut und tranken natürlich jede Menge guten Rotwein. Und im Laufe des Abends legte sich unsere Traurigkeit. Irgendwie wussten wir, dass wir wiederkommen würden. Oder diese neuen Menschen in unserem Leben würden uns in New York besuchen. Oder, selbst wenn wir sie nie wiedersehen sollten, würden wir sie alle irgendwie für den Rest unseres Lebens bei uns behalten.
Um Mitternacht wussten wir, dass es jetzt Zeit war, Lebewohl zu sagen. Alles umarmte und küsste sich und tauschte kleine Dankes- und Abschiedsgeschenke aus. Dann schlenderten Janis, Norton und ich die zwei oder drei Straßen zu unserem Haus zurück. Als wir um die Ecke gegenüber dem Restaurant Le Tonneau bogen und an der Fassade von Goults tausend Jahre altem Schloss vorbeikamen, fanden wir uns genau am Platz des furchtbaren Freiluftvogelkäfigs. Aber die Vögel waren nicht da; aus irgendeinem Grund hatte man sie nach drinnen gebracht. Norton, der sein Glück gar nicht fassen konnte, aber doch nutzen wollte, zögerte und marschierte dann zur Eingangstür des Hauses und schnüffelte vorsichtig. Stolz drehte er sich zu uns um und stolzierte einen Schritt nach vorn. In diesem Augenblick hörten wir das laute Zwitschern eines Vogels von irgendwo aus dem Inneren des Hauses. Ein letzter Abschiedsgruß.
Norton lief natürlich voran, aber Janis und ich sprinteten hinter ihm her, so gut wir konnten, rannten und lachten – und miauten – den ganzen Weg bis zu unserem dreihundert Jahre alten Zuhause.
Und am nächsten Morgen lachten – und miauten – wir noch immer, als wir Goult
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