Kleider machen Bräute
angestrengt, um die Tränen zurückzuhalten. »Kein Wun der, dass das Zimmer so aufgeräumt war!«, entfuhr es ihr spitz. »Offensichtlich hast du alles schon seit Ewigkeiten geplant. Du hast ganz schön Nerven, mir das hier und auf diese Weise zu sagen und …«
Er zog sie an sich und küsste sie auf den Mund, langsam und zärtlich. Mollys erster Reflex war, ihn wegzustoßen. Doch dann erinnerte sie sich daran, dass sie sich nie wieder küssen würden. Daraufhin erwiderte sie seinen Kuss und kostete den Moment bis ins Letzte aus.
»Pass gut auf dich auf, Molly«, sagte Reggie mit erstickter Stimme. »Danke für vier wundervolle Jahre.«
Sie konnte nur nicken.
»Ach, und Caitlins Hochzeit«, fuhr er fort. »Sag ihr bitte, dass es mir leid tut. Und wünsch ihr von mir, du weißt schon, das Übliche.« Das feuchte Glitzern in seinen Augen war unverkennbar.
»Sicher.« Molly nickte.
»Mach’s gut«, sagte er, und jetzt liefen ihm die Tränen über die Wangen. Dann wandte er sich ab und ging mit schnellen Schritten zur Metrostation am Seine-Ufer.
Ich dachte, ich würde diesen Abend mit einem Verlobten beenden, dachte Molly. Stattdessen bin ich Single. Zitternd atmete sie tief ein. Und was jetzt?
2. Kapitel
D ie Liebespaare, die im Mondschein am Seine-Ufer entlangspazierten, hatten für Molly nichts Roman tisches mehr. Als sie zusah, wie Reggie die Stufen zur Metro hinablief, ohne sich noch einmal umzudrehen, kamen sie ihr sogar vor wie der blanke Hohn. Sie drehte sich um, ging in Richtung ihres Apartments und kam sich auffallend und lächerlich allein vor.
Wie aufs Stichwort blieb das Pärchen unmittelbar vor ihr stehen und küsste sich. Molly musste ausweichen, um nicht mit ihnen zusammenzustoßen, dabei wäre sie mit ihren hohen Absätzen beinahe umgeknickt.
Ein älteres Paar, das Arm in Arm einen winzigen Hund spazierenführte, der aussah wie ein flauschiges Knäuel, bot ein solches Abbild lebenslanger Zufriedenheit, dass Molly die beiden finster anstarrte.
Ein Straßenhändler, die Arme voller Rosen, bot seine Ware inmitten dieser Schau der Liebenden feil. Er hielt eine Rose in der ausgestreckten Hand und signalisierte den Männern mit anzüglichem Zwinkern, allein der Er werb einer Rose werde ihnen Bettfreuden für diese Nacht garantieren. Als Molly an ihm vorbeiging, trat er einen Schritt zurück und ließ sie passieren.
In ihrem Kopf wirbelten die Gedanken durcheinander.
Wer verjagt jetzt die Spinnen aus meiner Badewanne?
Ich muss die Wohnung aufgeben – für mich allein ist die Miete zu hoch.
Caitlin wird ausflippen. Ihre Tischordnung ist Makulatur.
Was wird Mom dazu sagen?
Wer zieht den Reißverschluss an meinem Brautjungfernkleid hoch?
Wer wird mit mir tanzen?
Reggie war soeben aus ihrem Leben verschwunden. Noch immer wartete sie darauf, dass sie zusammenbrach. Vermutlich war sie noch zu betäubt.
Mit seinen 29 Jahren war Reggie fünf Jahre älter als sie, in vielerlei Hinsicht aber um einiges unreifer. Seine angeberische Zurschaustellung von Gegensätzen hatte sie oft wahnsinnig gemacht. Er mochte Röhrenjeans zu Großvaterhemden. Gepflegte Kurzhaarschnitte zu strup pigen Bartstoppeln. Champagner und Fischfinger. Sonntags Mittagessen im Pub auf dem Land und ein Penthouse in New York – er hatte geschworen, irgendwann mal eines zu besitzen –, wenn er erst einmal reich wäre.
Molly lächelte bei dem Gedanken, bis ihr klar wurde, dass sie das nicht miterleben würde.
»Reggie?«, rief sie und wirbelte herum.
Die Metrostation war bereits außer Sichtweite und von Reggie weit und breit keine Spur.
Sie stolperte zurück in Richtung Metro. Fragen stürm ten auf sie ein. Sie musste ihn unbedingt noch erwischen. Wieso konnte sie nicht mit ihm nach L. A. gehen? Oder ihn wenigstens besuchen, sobald er sich eingelebt hatte? Vielleicht würde ihre Beziehung in der neuen Umgebung wieder etwas von der Frische zurückgewinnen, die er in den letzten Monaten vermisst hatte. Oder im letzten Jahr? In den letzten zwei Jahren?
Und wenn sie sich heute Abend zum ersten Mal eingestanden hatten, dass alles eintönige Gewohnheit geworden war, dann sollten sie vielleicht daran arbeiten. Warum hatte sie nicht um ihn gekämpft? Wie hatte sie vier Jahre so einfach abschreiben können?
Wenn er nun der Richtige war und sie zu selbstgefällig, um es zu merken?
Ihre silbernen Riemchensandaletten mochten es gar nicht, wie schnell sie am Seine-Ufer entlanglief. Nach fünfzig Metern musste sie dem Bogen eines
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