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Kleine Abschiede

Kleine Abschiede

Titel: Kleine Abschiede Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Tyler
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zweiten
Tag.
    »Ich heiße nach einem Onkel«,
sagte er. »Der reiche Onkel Adrian Brice. Wahrscheinlich aber ganz umsonst. Er
ist mir böse, weil ich mit der Heirat meinen Namen geändert habe.«
    »Sie haben mit der Heirat Ihren
Namen geändert?«
    »Ich war Adrian Brice der
Zweite, aber dann habe ich Rosemary Bly geheiratet, und jetzt heißen wir beide
Bly-Brice.«
    »Oh, mit Bindestrich«, sagte
Delia. Darauf war sie nicht gekommen.
    »Es war allein ihre Idee,
glauben Sie mir.«
    Wie wenn man vom Teufel
spricht, erschien Rosemary am anderen Ende des Ganges. Sie warf etwas in den
roten Plastikkorb, der an Skippers Arm baumelte. Frauen wie Rosemary kauften
nie Lebensmittel fuhrenweise.
    »Wenn wir ins Kino gehen,
verpassen wir aber das Konzert«, sagte Adrian prompt, »und du weißt doch, wie
ich mich auf das Konzert freue.«
    »Das habe ich ganz vergessen«,
sagte Delia. »Das Konzert! Sie spielen...«
    Doch kein einziger Komponist fiel
ihr ein. (Und vielleicht meinte er auch ein anderes Konzert — ein Rockkonzert
etwa. Schließlich war er noch jung.) Rosemary sah ungerührt Delia und Adrian
näherkommen. Delia hielt dem Blick nicht stand. »Wir heben uns das Kino für
morgen auf«, sagte Adrian. Er lenkte ihren Wagen leicht nach links. Plötzlich
fühlte Delia sich kümmerlich klein — nicht zart und zierlich, sondern zu kurz
geraten, farblos, unscheinbar. Sie reichte Adrian gerade bis unter die Achseln.
Sie beschleunigte ihren Schritt, eilte sich, diesem Aspekt ihrer Person zu
entkommen. »Sonntags gibt es sicher eine Matinée?« fragte Adrian gerade.
    »Aber natürlich«, bestätigte
sie eine Spur zu nachdrücklich. »Wir gehen in die Vorstellung um zwei, gleich
nach unserem Champagnerfrühstück.«
    Schon rauschte sie durch den
nächsten Gang. Adrian mußte große Schritte machen, um mitzukommen. Beinah wären
sie mit einem Mann zusammengestoßen, auf dessen Einkaufswagen sich riesige
Pamperspackungen türmten.
    In Gang sieben schwirrten sie
durch die Feinkostabteilung — Anchovispaste, geräucherte Austern — und kamen
zur Babynahrung, wo Delia einfiel: sie brauchte passierten Spinat. Sie machte
halt und studierte die aufgereihten Gläschen. »Die nicht!« zischte Adrian. Sie
rasten weiter, ließen Gang sieben hinter sich und kurvten zu acht. »Tut mir
leid«, sagte er. »Ich dachte nur, wenn Rosemary sieht, daß Sie Babynahrung
kaufen...«
    Sähe sie, daß sie Babynahrung
kaufte, hätte sie Delia nur für eine Hausfrau mit Kleinkind gehalten.
Ironischerweise hatte Delia schon lange keine kleinen Kinder mehr. Den Spinat
brauchte sie nur für ihre Erbsensuppe mit Minze. Doch das klarzustellen,
unterließ sie und wählte statt dessen eine Dose Hühnerbrühe. »Oh«, sagte
Adrian. »Consommé! Die wollte ich auch kaufen.«
    Er ließ eine Dose in ihren
Wagen fallen — Nobelmarke mit glänzendweißem Etikett. Dann schlenderte er
weiter, die Hände flach in den Gesäßtaschen. Wenn Delia genau überlegte,
erinnerte er sie an ihren ersten richtigen Freund — tatsächlich ihren einzigen
Freund — , ihren Ehemann nicht mitgezählt. Will Britt bewegte sich genauso
kantig, damals war ihr das gleichzeitig gewandt und unbeholfen vorgekommen; und
er winkelte seine Arme genauso nach hinten ab, wie knubbelige Flügelspitzen,
und dann hatte er auch abstehende Ohren. Beruhigend, daß Adrian abstehende
Ohren hatte. Zu hübsche Männer waren ihr nicht geheuer.
    Am Gangende blickten sie nach
rechts, nach links. Man konnte nie wissen, wo Rosemary mit ihrem leichten,
unbeschwerten Einkaufskorb wieder auftauchte. Doch die Luft war rein, und Delia
steuerte auf die Papierwaren zu. »Was?« fragte Adrian. »Noch mehr?«
    Eigentlich ja. Sie hatte kaum
die Hälfte erledigt. Aber sie verstand seine Bedenken. Je länger sie sich hier
herumtrieben, desto größer die Wahrscheinlichkeit, sich wieder über den Weg zu
laufen. »Wir gehen«, beschloß sie. Sie steuerte die nächste Schlange an, doch
Adrian griff ins Wagengitter und zog zur Expreß-Kasse. »Eins, zwei, drei...«
zählte sie laut, was im Wagen lag. »Da können wir nicht hin! Ich habe sechzehn,
siebzehn...«
    Er zog den Wagen an die
15-Teile-Kasse, hinter eine alte Frau, die nur eine Packung Hundefutter kaufte.
Er warf die Nudelpackungen aufs Rollband. Na gut. Delia kramte nach ihren
Schecks. Die alte Frau vor ihnen zählte inzwischen Münze für Münze in die Hand
der Kassiererin. Sie reichte einen Penny, dann den nächsten. Am dritten klebte
etwas, das sie umständlich

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