Kleiner Musicalratgeber für Anfänger und Fortge
Server überlastet ist, denn sonst hätte sich das frühe Aufstehen weiß Gott nicht gelohnt.
Und dann, wenn es endlich soweit ist, setzt der Adrenalin-Schub ein. Nachdem man die entscheidenden Klicks getan hat und sich somit die begehrten Tickets gesichert hat, muss man das natürlich stilecht überall im sozialen Netzwerk seiner Wahl posten. Wem es so früh am Morgen noch an Eloquenz mangelt, dem sei hiermit Mut gemacht: Ein einfaches »Juchhu!!! Bin dabei!« offenbart Eingeweihten schon mehr als genug. Selbstverständlich muss man danach gespannt nachlesen, wer sich ebenfalls schon im Ticket-Hype befindet und damit mindestens ebenso durchgeknallt ist wie man selbst. Der Blick auf die Uhr offenbart schließlich dass es nun 8:15 Uhr ist – erbärmlich früh für einen freien Tag. Noch mal ins warme Bett zu kriechen und zwei Stunden Schlaf nachzuholen wäre prinzipiell richtig toll – nur schade, dass man jetzt hellwach ist. Aber so hat man wenigstens noch was vom Tag!
Meister im Multi-Show-Watching sein
Ins Musical gehen – was für Otto Normalverbraucher so was wie ein Jahreshighlight ist, das geben wir Musicalitiker uns mehrmals im Jahr, im Monat oder sogar in der Woche. Die Frequenz unserer Theaterausflüge hängt dabei nicht nur davon ab, wie aktiv der Virus gerade in uns wütet, sondern auch von diversen anderen Bedingungen.
Fakt ist und bleibt: Das reale Leben mit all seinen banalen Erforderlichkeiten drängt sich immer wieder zwischen uns und die Bedürfnisbefriedigung. Die wenigsten von uns haben einen Goldesel im Garten stehen und müssen daher für ihren Lebensunterhalt arbeiten. Alles läuft schließlich auf eine simple Gleichung hinaus: Je mehr Geld nach Abzug der monatlichen Fixkosten übrig bleibt, desto mehr Musical wird sich eben angesehen. Die Tatsache, dass uns leider gar nicht so viel Urlaub zusteht, wie wir eigentlich unterwegs sein möchten, ist ein weiterer einschränkender Faktor, der den Musicalgenuss einschränken kann – jedoch nicht muss. Denn glücklicherweise wissen die Musicalmacher bei aller Realitätsferne, die man kreativen Menschen manchmal vorwerfen kann, ebenso um die Zeitprobleme der normalsterblichen Besucher ihrer Produktionen. Folglich werden am Wochenende in Deutschlands Theatern meist vier Shows angeboten: Zwei Matinées und zwei Abendvorstellungen. Und geht man von einer Anreise am Freitagabend aus, kann ein Musicalitiker sich tatsächlich – rein theoretisch zumindest – fünf Shows anschauen, bevor er wieder in Richtung Heimat abdüsen muss.
Dass das verrückt wäre – keine Frage! Und dass dieser Musicalanhänger dann erst mitten in der Nacht zuhause wäre und folglich nur ein paar Stunden Schlaf kriegen würde, bevor er Montag wieder am Schreibtisch sitzen müsste – ja, auch das ist unbestreitbar wahr. Doch man mag es kaum glauben: So etwas passiert tatsächlich in Hardcore-Musicalfan-Kreisen. Und ja, ich bekenne errötend: Auch ich habe so etwas schon gemacht! Gut, das ist wirklich extrem, aber eine Sache ist absolut normal: Es handelt sich hierbei um die so genannte Doppelshow. Jemand der Doppelshow macht , guckt sich die zwei aufeinander folgenden Shows Samstags oder Sonntags an. Oft will man, nachdem man am Samstag Doppelshow gemacht hat, auch noch die Matinée am Sonntag mitnehmen, nach der man dann nach Hause reist. Wir fassen also zusammen: Vier oder fünf Shows am Wochenende ist selbst in Musicalfan-Kreisen eher die Ausnahme als die Regel, aber Doppelshow an einem Tag zu machen oder drei Shows an einem Wochenende zu sehen ist wiederum Alltag. Die Grenzen zwischen Wahnsinn und totalem Wahnsinn liegen eben sehr nah beieinander!
»Hast du sie eigentlich noch alle im Oberstübchen? Soll ich die Männer mit den weißen Kitteln holen?« Das sind Fragen, die sich ein Musicalitiker oft anlässlich des oben geschilderten Phänomens anhören muss. Von Familie, Freunden, Bekannten, Kollegen. Nicht verschwiegen werden sollte, dass man sich diese Frage auch gelegentlich selbst stellt, vor allem in Hinblick auf die nicht unerheblichen Kosten und den Zeitaufwand. Da versteht es sich von selbst, dass man alles versucht, sich den Wahnsinn selbst etwas schönzureden oder zumindest zu rechtfertigen. Multi-Show-Watching an einem Tag, zweien oder mehreren aufeinander folgenden Tagen ist doch auch die logischste Sache der Welt! Wie sonst sollte man in den Genusskommen, möglichst viele Darsteller in möglichst vielen unterschiedlichen Rollen zu sehen? Und außerdem
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