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Kleines Lexikon psychologischer Irrtümer - von Abhängigkeit bis Zwangsneurose

Kleines Lexikon psychologischer Irrtümer - von Abhängigkeit bis Zwangsneurose

Titel: Kleines Lexikon psychologischer Irrtümer - von Abhängigkeit bis Zwangsneurose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gütersloher Verlagshaus
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professionelle
    Aus einem übertriebenen sozialpädagogischen Anspruch heraus abgeleitete Bezeichnung für Hilfe, deren Berufsgruppen (Psychotherapeuten, Sozialarbeiter, etc.) sich einbilden, Lebens- und sonstige Krisen besser zu meistern als der gesunde Menschenverstand. Erreicht wird durch »professionelle Hilfe« eine Minimierung der Fähigkeit zur Selbsthilfe, und übrig bleibt ein hässliches und die Sprachkultur verseuchendes Vokabular, ähnlich wie »multiprofessionelles Team« oder »Kompetenzzentrum«.
    Hintergrund, komplex-familiärer
    Hieß früher Gesocks. Die Schönrederei der Gegenwartskultur ist allumfassend. Wenn eine Patientin berichtet, dass sie sieben Geschwister hat, die ihr drogensüchtiger,
ADHS-kranker Vater mit jeweils anderen Frauen gezeugt hat und alle im Proletenmilieu aufgewachsen sind, dann nennen Psychologen das »komplex-familiärer« Hintergrund. Eine Art schmückendes Beiwort der therapeutischen und sozialutopischen Fürsorge.
    Hypochondrie
    Ständige Beschäftigung mit der Möglichkeit, an einer schweren Erkrankung zu leiden, auch wenn es hierfür keine objektiven Hinweise gibt oder das Vermögen, eine zu enge Unterhose zuerst als beginnenden Hodenkrebs zu interpretieren, oder hohe Ozonwerte als Ursache einer gescheiterten Ehe zu sehen. Medial gut getriggert wird aktuell Feinstaub als die Wurzel allen Übels angesehen, auch wenn er schon seit Jahrmillionen existiert.
    Hypochondrie wird zu zweit erst richtig schön, beispielsweise durch gemeinsame Röntgenbilderschau am Kamin.
    Hypochondrische Befürchtung
    Wenn eine gelangweilte Hausfrau (gibt es immer weniger) oder ein arbeitsloser Trinker (gibt es immer mehr) von Reality-Soaps und Gerichtsshows zu Wissenschaftsdokumentationen wechselt und nun der felsenfesten Überzeugung
ist, seine Lunge werde in den nächsten Monaten garantiert durch Feinstaub zerfressen, werden zunächst Heerscharen von Juristen beschäftigt. Denn sinnvoller können Steuergelder nicht verwendet werden. Nachfolgend können endlich Kommunen beschäftigt werden, in Großstädten ganze Straßenzüge umzuleiten.
    Herzlich willkommen im entfesselten Individualismus!
    Hysterie
    Die Farbtupfer der Hysterie auf den Gemälden des Lebens sind bunt und grell. Das müssen sie auch sein, um bemerkt zu werden. Der Hysteriker sitzt im Extrazug des Lebens. Motto: Auffallen um jeden Preis. Dabei wird die Erschaffung neuer Probleme zu einem ernsten, aber nicht unlösbaren Problem. Wenn in Fukushima die Atommeiler durchglühen und auf der anderen Seite des Globus Jodtabletten tonnenweise gekauft, gehortet und bevorratet werden, leuchtet der Heiligenschein der Hysterie besonders kräftig über dem germanischen Haupt. Quälende existenzielle Fragen wie die folgende werden darin bebrütet: Sind zwei Stunden Mozart täglich ausreichend für eine möglichst günstige Hirnentwicklung des ungeborenen Sprösslings? In der zweiten Lebenshälfte könnte demnächst die Frage auftauchen: Welche Sorte Pampers passt am besten zu welchem Steißbeintattoo?
    Hysterikerinnen, Gebrauchsanweisung für
    Sich zurücklehnen, alles in Ruhe noch mal überdenken, Argumente abwägen, danach noch einmal das Gespräch führen, unterschiedliche Standpunkte erklären, vorher noch einmal reflektiert haben, worum es eigentlich geht, was man wirklich will. Alles schön, alles wunderbar.

    Klappt aber nicht bei Gestörten. Diese laufen auch bei Kleinigkeiten, insbesondere bei vermeintlichen Ungerechtigkeiten, zu den ungünstigsten Zeitpunkten auf und inszenieren ihr Theater. Gestikulierend, manchmal mit Schaum vor dem Mund (Differentialdiagnose: Tollwut), stammeln sie Worte hervor wie »ich verlange …« »sofort  …« »unverzüglich …«. Eine früher genossene akademische Ausbildung ist neuronal zwar nicht ausgelöscht, aber immerhin abgeschaltet. Sollte die Madame auch noch Lehrerin sein, umso schlimmer. Die Sozialisation Schule/Universität /Schon-wieder-Schule lässt Lernen im realen Leben im Keim ersticken. Der Auftritt unserer Hysterikerin hat mittlerweile seinen Höhepunkt erreicht, aber das Schreien und wilde Gestikulieren hat nichts genutzt. Denn wir haben den verhaltenstherapeutischen Königsweg benutzt: Nur nicht beeindrucken lassen, bloß auf keine Forderung eingehen. Falls die Hysterikerin umfällt, können Sie sie liegenlassen. Sie kommt von ganz alleine wieder hoch.
    Hysterikerinnen, Trostworte für
    Lassen Sie sich Ihre Theatralik bloß nicht als Symptom einer Erkrankung einreden. Über

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