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Klemperer, Viktor

Klemperer, Viktor

Titel: Klemperer, Viktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Tagebücher
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am 23. 4. 43. Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart. 4 Akte
    Eine der letzten Arbeiten Sch. s also u. im Krieg entstanden (anzunehmender Weise). Negative Vorzüge: reinste Humanität, biederste Moral, ganz unberührt vom Krieg u. vom Nationalsocialismus. Aber es könnte ebensogut das Werk des ganz jungen Anfängers sein, der noch stark moralisiert, seine eigene dichterische Fähigkeit noch nicht kennt u. in Reminiscenzen schwelgt, mehr nachahmend, variierend als schöpferisch. Romantisierendes, * shakespearisierendes Märchenstück, im Spätrom des 4 Jh. s (weil es da eine Menge von Soldatenkaisern gab) angesiedelt. Hauptreminiscenz en wohl * * Amphitryon 5 – ins streng Moralische u. Paedagogische gewendet. (Ausdrücklich zu Claudia: Ich bin im tiefsten Sein gebunden, Dich / Nicht zu berühren, bis dem Land ein Wunder / Einbricht das ihm von Gott verheißen ist.) Zugleich spukt der Müller von Sanssouci u.a. Hauptmangel: die Kindlichkeit der Charaktere. Mehr Moralität als Drama. Der Soldatenkaiser Jovianus tüchtiger Feldherr, gutartiger Mensch, aber ungezügelt, von der neuen Macht verblendet, leichtfertig. Das Volk hungert, der böse Ratzibor beeinflußt ihn; die aufrechten Freunde werden verstoßen. Der Genius, Art Statthalter Gottes über die Menschheit, greift ein. Erziehung durch Sturz u. Leiden. Der Genius nimmt dem Kaiser beim Baden die Kleider fort, tritt selbst als Kaiser auf, während Jovian vielfältig verkannt, mißhandelt, gequält, gedemütigt wird. Originell ist nur die Scene, in der der Geläuterte sich schließlich in seiner neuen Reinheit u. Tüchtigkeit ausweisen muß. Jovianus u. Genius, gleich von Gestalt sitzen auf zwei Thronsesseln nebeneinander u. halten Gericht. Wer ist der wahre Kaiser? Der Genius entscheidet so ungerecht, wie es der vorige Jovian getan hätte, J. selber richtet menschlich u. weist sich dadurch aus. Dann ist der Genius verschwunden – um nachher den gereimten nachdenklichen Abgesang zu sprechen, wie er in einleitenden Versen sich vorgestellt hat. Das Thema der verwirrten Frau bleibt am Rande u. unerledigt. In die Gerichtsscene hinein mündet die Nebenhandlung. Zwei Freunde sind ohne Lebenserfahrung u. in geistigem Hochmut von der hohen Höhe gekomen, ihre Gelübde der Keuschheit u. Armut halten der Wirklichkeit nicht stand. Auch sie werden vom Genius geläutert u. ihren Pflichten – Liebe u. Verwaltung überkomenen Erbteils – zugeführt, indem sich Cornelius der Übergriffe des ungeläuterten Jovian erwehrt, spielt das Thema des Müllers v. Sanssouci herein. Die beiden Liebespaare sind auch nur obenhin charakterisiert; die übliche Teilung der klassischen Komoedie in edles u. niederes, pathetisches u. komisches Paar (Herr u. Diener, Herrin u. Zofe) wirkt in der Tongebung nach.
    Vielleicht ist eine gewisse Stellungnahme zu Zeitproblemen in Cornelius entschiedenem Eintreten für den ererbten Besitz zu sehen – der Natsoc rühmt sich ja, ihn zu schützen. Besitz, hab ich gesehn, ist heiliges Pfand, / Und doppelt heilig, stamt s vom Ahnen her. /(Ruht der dann selber noch in seinem Boden, / So treibt des Sohnes Wurzel bis zum Hades. (Gerichtsscene A 4)
     
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    In der Dresd. Ztg. erschien in diesen Dezembertagen, sehr zerstückelt: * Eckart von Naso Die Begegnung, Novelle. (Velhagen & Klasing).
    Es ist keine Novelle, sondern eine rein historische Ausmalung, etwa nach Art der Schattenbilder. * Luise bittet * Napoleon 1807 an der Memel (oder in Tilsit?) vergebens um bessere Friedenbedingungen für Preußen. Die Ausmalung mißfällt mir sehr: der Stil ist so affektiert, jeder Satz, jede Bewegung mit anspruchsvoll dunklem Tiefsinn beladen, die Charakteristik bleibt schwankend. Napoleon ist bald das Genie, bald der gierig verblendete Parvenu, Proletarier, Egoist; * Fr. Wilhelm III ist immer u. immer wieder der hölzerne, mürrische, verdrossene halblebendige Mensch, in den man nicht hineinsieht; von Luise wird nur immer wieder behauptet, sie sei das Genie, die Königin, die Märtyrerin u. schließlich, trotz aller Ergebnislosigkeit der Zusamenkunft, dennoch die Siegerin – aber nichts tritt aus der Schilderung selber hervor, worauf sich diese Behauptung stützen könnte. – Ich notiere den Naso hier, weil er mir neulich im Reich als Rundfunkgröße tertii Imperii (Hörspiel * Minna von Barnhelm, cf. 13/XI 44) auffiel.
     
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    Gestern Abend brachte * Frau Stühler den Heeresbericht in der Ztg. – er war schon Mittags als Sondermeldung – die erste seit Jahren!! –

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