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Klemperer, Viktor

Klemperer, Viktor

Titel: Klemperer, Viktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Tagebücher
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Stunde mehr aus seinen Krallen.
    Am Nachmittag des 4 Febr. besuchten wir in seiner winzigen Werksta[t]t, den Mann der schönen * Maria, 7 den Harfenbauer * Kube. Er hat mit primitiven Mitteln, in Monate-langer Arbeit eine ganze Conzertharfe gebaut u. zeigte uns das ungemeine Kunstwerk in allen Einzelheiten.
    Es stand in den Zeitungen daß * Bäumler 8 als Kandidat für das preußische Kultusministerium unter * Hitler genannt wurde. (Neben * Krieck! 9 ) In einer Abteilungssitzung benahm er sich, als sei er schon Minister. Man beriet die Rettung des schwer bedrohten paed. Instituts. 10 Die Deutschnationalen wollen die akademische Ausbildung der Lehrer abschaffen. Sie überschätzen den Einfluß der Deutschnat. in der Koalition, sagte B. – Politik überall u. überall Rechtsterror.
     

 
    Freitag 10/III Abends .
    30 Januar: * Hitler Kanzler. Was man ich bis zum Wahlsonntag 5/III Terror nannte, war mildes Prélude. Jetzt wiederholt sich haargenau, nur mit anderem Vorzeichen, mit Hakenkreuz, die Sache von 1918! Wieder ist es erstaunlich, wie wehrlos alles zusammenbricht. Wo ist Bayern, wo ist das Reichsbanner 11 usw. usw.? Acht Tage vor der Wahl die plumpe Sache des Reichstagsbrandes 1 – ich kann mir nicht denken, daß irgend jemand wirklich an kommunistische Täter glaubt statt an bezahlteArbeit. Dann die wilden Verbote u. Gewaltsamkeiten. Und dazu durch Straße, Radio etc. die grenzenlose Propaganda. Am Sonnabend 4. hörte ich ein Stück der Hitlerrede aus Königsberg. Eine Hotelfront am Bahnhof, erleuchtet, B B B Fackelzug davor, Fackelträger u. HKfahnenträger 2 auf den Balkons u. Lautsprecher. Ich verstand nur einzelne Worte. Aber der Ton! Das salbungsvolle Gebrüll, wirklich Gebrüll, eines Geistlichen. – Am Sonntag wählte ich den Demokraten, * Eva Centrum. Abends gegen 9 mit * * Blumenfelds bei * * Dembers. 3 Ich hatte zum Scherz, weil ich auf Bayern hoffte, mein bayrisches Verdienstkreuz angesteckt. Dann der ungeheure Wahlsieg der Ns. 4 Die Verdoppelung in Bayern. Dazwischen das * Horst-Wessellied. 5 – Eine entrüstete Zurückweisung, loyalen Juden werde nichts Übles geschehen. Gleich darauf Verbot des Centralvereins jüdischer Bürger in Thüringen, 6 weil er [ d]ie die Regierung talmudistisch kritisiert u. herabgesetzt habe. Seitdem Tag um Tag Komissare, zertretene Regierungen, gehißteFahnen, besetzte Häuser, erschossene Leute, Verbote (heute zum erstenmal auch das ganz zahme Berliner Tgbl.) etc. etc. Gestern im Auftrag der n.s. Partei – nicht einmal mehr dem Namen nach in Regierungsauftrag – der Dramaturg * Karl Wollf 7 entlassen, heute das ganze sächsische Ministerium usw. usw. Vollkomene Revolution u. Parteidiktatur. Und alle Gegenkräfte wie vom Erdboden verschwunden. Dieser völlige Zusamenbruch einer eben noch vorhandenen Macht, nein ihr gänzliches Fortsein (genau wie 1918) ist mir so erschütternd. Que sais-je? 8 – Am Montag Abend nach der Wahl bei * Frau Schaps zusa m en mit * * Gerstles . 9 Niemand wagt mehr etwas zu sagen, alles ist in Angst. Nur ganz unter uns sagte Gerstle: * Der Brandstifter 10 im Reichstag war nur mit Hose u. komun. Parteibuch bekleidet u. hat nachweislich bei einem N.S.-Mann gewohnt. Gerstle humpelte auf Krücken; er hat sich beim Skilaufen in den Alpen das Bein gebrochen. Seine Frau steuerte ihr Auto, in dem wir ein Stück mit zurückfuhren.
    Wie lange werde ich noch im Amt sein?
    Zu dem politischen Druck die Qual der ewigen Schmerzen im linken Arm, des ewigen Sterbegedankens. Und die marternden u. immer erfolglosen Bemühungen um Baugeld. Und das stundenlange Heizen, Abwaschen, Wirtschaften. Und das ständige Zuhausesitzen. Und das Nicht-arbeiten = , nicht-denken können.
    Ich schrieb nach flüchtiger Lectüre ein schlechtes Feuilleton: Das neue Spanien, 11 nachdem ich vorher einen schlechten Artikel für Dante-Paris geschrieben: Die Idee der Latinität in Deutschland. Ich will, nein: ich muß nun wieder den Albdruck 12 des Frankreichbildes aufnehmen. Ich will mich jetzt zum Schreiben zwingen u. Capitel um Capitel die noch fehlende Lectüre nachholen.
    Ich bestellte allerhand Bücher für mein Seminar, da sich ergab, daß ich noch 100 M. im Budget hatte, Spanien, 18 Jh. in Frkr. u. Kulturkunde. 1 Ich muß am Di. einen Volksschullehrercandidaten die neugeforderte Clausurübersetzung ins Franz. machen lassen. Ich bin so außer aller Übung, daß ich selber nur sehr schlecht übersetzen würde.
    Ich las vor: * John Owen: Der Glückspilz (oder Baumwolle) , 2

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