Klick! Mich! An! - Gaddam, S: Klick! Mich! An! - A Billion Wicked Thoughts
Kinseys Studie lebte man in dem Glauben, Homosexualität sei äußerst selten, doch mehr als ein Drittel der Männer gaben an, schon einmal eine homosexuelle Erfahrung gemacht zu haben. Von Frauen hatte man immer gedacht, sie hätten einen schwachen Sexualtrieb, und doch gestand mehr als die Hälfte der Damen, regelmäßig zu masturbieren. Vorehelicher Sex, außereheliche Affären und Oralsex schienen weit häufiger vorzukommen, als das je ein Mensch erwartet hätte.
» Too darn hot « , viel zu heiß, so singt Paul in Cole Porters Broadway-Musical Kiss Me, Kate, nachdem er in dem Gesangsstück auf die Entdeckungen von Kinsey angespielt hat. Und so wie er dachten viele. Nach der Veröffentlichung von Kinseys richtungsweisendem Werk zum Thema weibliches Begehren, Das sexuelle Verhalten der Frau, strich das Rockefeller Center ihm die Zuschüsse. Kinsey wurde als Kommunist denunziert und vonseiten konservativer und religiöser Institutionen attackiert. Er wurde abhängig von Schlafmitteln und bekam Herzprobleme, bis er mit 62 an den Folgen einer Lungenentzündung und an Herzversagen starb.
Die Befragung von 18 000 1 Frauen und Männern durch Kinsey stellt den bislang umfassendsten wissenschaftlichen Versuch dar, die wahren sexuellen Vorlieben von gewöhnlichen Leuten zu bestimmen. Doch ist Kinseys Studie mittlerweile mehr als ein halbes Jahrhundert alt. Seither hat sich kein Forscher an eine breit angelegte Wiederholung von Kinseys Umfrage zu den vielfältigen Ausprägungen des menschlichen Begehrens herangewagt. Der Grund dafür liegt nicht zuletzt in den politischen und gesellschaftlichen Zwängen. Selbst Kinseys Daten unterlagen gewissen Einschränkungen. Die Testpersonen waren in erster Linie gebildete Weiße aus der Mittelschicht. Sie wurden vollkommen willkürlich nach dem Prinzip ausgewählt, wer gerade Zeit hatte, statt nach dem Zufallsprinzip oder systematischen Kriterien. Die gewonnenen Daten bestanden aus Erfahrungen, welche die Befragten bereitwillig mitteilten, und nicht aus Informationen, die man überprüfen hätte können oder die der direkten Beobachtung entstammten.
Die geistigen Erben von Heinrich Hertz konnten völlig unbehelligt und ohne jegliche gesellschaftliche Gegenwehr an ihren Funk- und Röntgenstrahlen forschen. Nicht wenige der geistigen Erben von Richard von Krafft-Ebing hingegen wurden in den Medien öffentlich an den Pranger gestellt, sie mussten sich der Strafverfolgung stellen oder verloren sogar ihre Jobs. Physiker dürfen ungestört subatomare Teilchen und galaktische Supercluster beobachten. Doch das menschliche Begehren? Wie sieht es in Wirklichkeit aus? Diese Frage konnte die Wissenschaft bislang nicht beantworten, da es einfach keine Möglichkeit gab, das natürliche Sexualverhalten einer größeren Anzahl von Männern und Frauen zu observieren.
Doch die Zeiten ändern sich.
Eine Milliarde schmutziger Gedanken
In den 1960er- und 70er-Jahren erfuhren gewagte, ja fast schon waghalsige soziale Psychoexperimente ihren Höhepunkt. Oftmals waren sie den verrückten Versuchen in der MTV -Krawallshow Jackass nicht unähnlich. Im Stanford-Prison-Experiment aus dem Jahr 1971 wurden die Versuchspersonen in Gefangene und Wärter unterteilt und dann gezwungen, in einem Pseudogefängnis zu leben. Das Ergebnis war, dass die Wärter die Gefangenen erniedrigten und missbrauchten, woraufhin die Gefangenen einen Aufstand anzettelten. Die Milgram-Experimente aus den 60er-Jahren verlangten von den Teilnehmern, einem Mann Stromstöße von zunehmender Intensität zu verpassen, bis der allem Anschein nach tot war. 1973 führte der Psychologe Kenneth Gergen vom Swarthmore College ein weiteres gesellschaftspsychologisches Experiment durch, das heutzutage von einer Ethikkommission vermutlich gar nicht mehr genehmigt werden würde. Seine Studie stellte folgende Frage: » Wozu sind Menschen unter absolut anonymen Bedingungen fähig? «
Bei Gergens Experiment betraten nacheinander fünf junge Männer und fünf junge Frauen einen Raum. Sie kannten sich allesamt vorher nicht, und ehe sie in das Zimmer gelassen wurden, hatte man eine Begegnung verhindert. In diesem Raum stand es ihnen frei zu tun, was immer sie wollten. Am Ende des Experiments verließen die Teilnehmer das Zimmer wieder nacheinander. Das Interessante an diesem Experiment ist der Raum an sich. Er lag in absoluter Dunkelheit.
Die Teilnehmer konnten sich also nicht sehen, sie kannten sich nicht, und sie wussten, dass sie auch nach dem
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