Kloster Northanger
nachdem sie in der Halle bis zur Ermüdung auf und ab spaziert waren, »und wie angenehm es wäre, wenn wir Bekannte hier hätten.«
Diesem Wunsch hatte Mrs. Allen schon so oft vergeblich Ausdruck gegeben, dass sie keinen besonderen Grund zu der Annahme hatte, er würde gerade heute erfreulichere Ergebnisse zeitigen, aber, wie der Dichter rät, »bei unseren Wünschen niemals zu verzagen«, denn »unverdrossner Eifer wird ans Ziel uns tragen«, und der unverdrossne Eifer, mit dem sie jeden Tag dasselbe gewünscht hatte, musste am Ende seine gerechte Belohnung erhalten, denn kaum hatte sie zehn Minuten dort gesessen, als eine Dame ihres Alters, die neben ihr saß und sie einige Minuten lang aufmerksam gemustert hatte, sie mit großer Zuvorkommenheit mit folgenden Worten ansprach: »Ich glaube, Madam, ich irre mich nicht; es ist zwar lange her, seit ich das Vergnügen hatte, Sie zum letzten Mal zu sehen, aber ist Ihr Name nicht Allen?« Auf die bereitwillig gegebene Antwort, erklärte die Fremde, ihr Name sei Thorpe, und Mrs. Allen erkannte auf der Stelle die Züge einer früheren Klassenkameradin und guten Freundin, die sie seit ihrer beider Heirat nur ein einziges Mal gesehen hatte, und das vor vielen Jahren. Ihre Freude über dies Zusammentreffen war sehr groß, und das mit Recht, da sie während der letzten fünfzehn Jahre keinerlei Bedürfnis gehabt hatten, den Kontakt miteinander aufrechtzuerhalten. Gegenseitige Komplimente über ihr gutes Aussehen wurden ausgetauscht, und als sie die Beobachtung gemacht hatten, wie schnell die Zeit seit ihrer letzten Begegnung verflogen war, wie wenig sie sich ein Zusammentreffen in Bath hätten träumen lassen und was für ein Vergnügen es war, eine alte Freundin wiederzusehen, gingen sie dazu über, Fragen zu stellen und Auskunft zu geben über ihre Familien, Schwestern und Cousinen, wobei beide gleichzeitig redeten, denn ihnen lag mehr daran, Auskünfte zu geben als zu erhalten, und beide hörten nur wenig von dem, was die andere sagte. Mrs. Thorpe allerdings hatte bei der Unterhaltung einen großen Vorteil gegenüber Mrs. Allen: sie hatte Kinder, und als sie sich weitläufig über die Talente ihrer Söhne und die Schönheit ihrer Töchter ausgelassen hatte, als sie über ihre verschiedenen Lebensumstände und -aussichten berichtet hatte – dass John in Oxford studiere, Edward Merchant-Taylors besuche 8 und William bei der Marine sei und einer wie der andere an seinem Platze mehr geschätzt und respektiert werde als je ein Mensch zuvor – da hatte Mrs. Allen ihrerseits nichts dergleichen mitzuteilen, dem ungeneigten und ungläubigen Ohr ihrer Freundin keine ähnlichen Triumphe aufzuschwatzen, und ihr blieb nichts anderes übrig, als dazusitzen und so zu tun, als ob sie diesen Ausbrüchen mütterlicher Liebe zuhöre, sich allerdings gleichzeitig mit der Entdeckung zu trösten, die ihr scharfes Auge bald gemacht hatte, dass der Spitzenbesatz an Mrs. Thorpes Mantel nicht halb so schön war wie ihr eigener.
»Da kommen ja meine lieben Mädchen«, rief Mrs. Thorpe und zeigte auf drei elegante junge Damen, die nun Arm in Arm auf sie zusteuerten. »Meine liebe Mrs. Allen, ich brenne darauf, sie Ihnen vorzustellen; sie werden entzückt sein, Sie kennenzulernen. Die größte ist Isabella, meine Älteste. Ist sie nicht eine ansehnliche junge Dame? Auch die anderen finden viel Anklang, aber ich glaube, Isabella ist die schönste.«
Die Misses Thorpe wurden vorgestellt, und ebenfalls Miss Morland, die vorübergehend ganz vergessen worden war. Der Name ließ sie anscheinend allesamt aufhorchen, und nach einem sehr höflichen kurzen Gespräch mit ihr bemerkte die älteste junge Dame laut zu den anderen: »Wie ausgesprochen ähnlich Miss Morland ihrem Bruder ist!«
»Sein wahres Ebenbild, tatsächlich«, rief die Mutter, und »Man sieht auf den ersten Blick, dass sie seine Schwester ist!« wurde von allen zwei- oder dreimal wiederholt. Einen Augenblick lang war Catherine überrascht, aber Mrs. Thorpe und ihre Töchter hatten angefangen, die Geschichte ihrer Bekanntschaft mit Mr. James Morland zu erzählen, als ihr einfiel, dass ihr ältester Bruder sich vor kurzem mit einem jungen Mann aus seinem College namens Thorpe angefreundet und die letzte Woche der Weihnachtsferien bei dessen Familie in der Nähe Londons verbracht hatte.
Nun war alles erklärt, und die Misses Thorpe drückten auf jede nur denkbare Weise ihren Wunsch nach näherer Bekanntschaft mit ihr aus, da sie ja durch
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