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Kloster Northanger

Kloster Northanger

Titel: Kloster Northanger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
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beistehen, von wem sollen sie dann Förderung und Verständnis erwarten? Ich billige das nicht. Wir wollen es den Kritikern überlassen, diese Phantasiegebilde nach Belieben in den Schmutz zu ziehen und bei jedem neuen Roman ihre abgedroschene Litanei über den Schund abzusingen, unter dem die Druckerpressen heutzutage ächzen.
    Wir dürfen uns nicht gegenseitig im Stich lassen; schon hat man uns Wunden geschlagen. Obwohl unsere Geistesprodukte größeres und aufrichtigeres Vergnügen bereitet haben als jedes andere literarische Genre der Welt, ist über keine andere Gattung so hergezogen worden. Aus Stolz, Dummheit oder modischem Anpassungsbedürfnis sind unsere Feinde so zahlreich wie unsere Leser. Und während die Fähigkeiten des neunhundertsten Kompilators eines »Abrisses der englischen Geschichte« oder eines Mannes, der in einem Band einige Dutzend Zeilen von Milton, Pope und Prior mit einem Artikel aus dem
Spectator
und einem Kapitel aus Sterne 9 sammelt und veröffentlicht, von tausend Federn gepriesen werden, ist es Mode geworden, die Begabung des Romanschriftstellers, der zu seiner Empfehlung nichts weiter als Genie, Geist und Geschmack hat, herabzusetzen, seine Mühe zu unterschätzen und seine Werke zu verachten. ›Ich lese keine Romane. – Ich sehe nur selten hinein. – Glauben Sie nur nicht, dass ich oft Romane lese. – Für einen Roman ist es wirklich gar nicht so schlecht!‹ So geht die Heuchelei. ›Und was lesen Sie da, Miss …‹ – ›Oh, es ist nur ein Roman!‹ erwidert die junge Dame, während sie ihr Buch mit gespielter Gleichgültigkeit oder vorübergehender Verlegenheit auf den Tisch legt. ›Es ist nur
Cecilia
oder
Camilla
oder
Belinda
‹ 10 oder, kurz und gut, irgendein Werk, in dem ja nur die eindrucksvollsten Geisteskräfte sich entfalten, in dem der Welt ja nur die umfassendste Kenntnis der menschlichen Natur, die gelungenste Darstellung ihrer Spielarten, die lebhafteste Fülle von Esprit und Humor in der gewähltesten Sprache dargeboten werden. Allerdings – hätte dieselbe junge Dame sich mit einem Band des
Spectator
beschäftigt statt mit einem solchen Werk, wie stolz hätte sie das Buch vorgezeigt und seinen Titel genannt, obwohl die Wahrscheinlichkeit nicht sehr groß ist, dass irgendetwas in diesem umfangreichen Band, der in Gehalt und Gestalt eine junge Dame zwar nicht unbedingt abstößt, sie aber auch nicht sonderlich interessiert, denn auf seinen Seiten kommen so oft unwahrscheinliche Lebensumstände, unnatürliche Charaktere und Gespräche vor, die keinen lebendigen Menschen mehr berühren; und auch seine Sprache ist häufig so unkultiviert, dass sie auf die Zeit, die sie ertragen konnte, kein gutes Licht wirft.

Kapitel 6
    Die folgende Unterhaltung, die eines Vormittags in der Brunnenhalle zwischen den beiden Freundinnen stattfand, als sie sich etwa acht oder neun Tage kannten, soll als Beispiel für die herzliche Zuneigung, den zartfühlenden, diskreten und originellen Gedankenaustausch und den anspruchsvollen literarischen Geschmack gelten, die einen Beweis dafür bilden, wie verständig ihre Beziehung war.
    Sie waren verabredet, und da Isabella fast fünf Minuten vor ihrer Freundin eingetroffen war, eröffnete sie das Gespräch natürlich mit: »Liebste Freundin, was hat dich denn so aufgehalten? Ich warte hier schon mindestens eine Ewigkeit auf dich!«
    »Wirklich! Das tut mir sehr leid, aber ich dachte, ich wäre pünktlich. Es ist doch gerade erst eins. Hoffentlich hast du nicht zu lange warten müssen?«
    »Oh, mindestens eine Ewigkeit. Eine halbe Stunde bestimmt. Aber jetzt komm, wir setzen uns am anderen Ende der Halle hin und amüsieren uns. Ich muss dir tausend Sachen erzählen. Zunächst einmal, ich fürchtete, es würde heute Morgen regnen, als ich gerade losgehen wollte; es sah so nach einem Schauer aus, und das hätte mich zur Verzweiflung gebracht! Stell dir vor, ich habe gerade eben einen wunderhübschen Hut in einem Fenster in der Milsom Street gesehen – fast genau wie deiner, nur mit einem lachsfarbenen Band, statt mit einem grünen; ich hätte ihn liebend gerne gekauft. Aber liebste Catherine, was hast du denn den ganzen Vormittag getrieben? Hast du
Udolpho
11 weitergelesen?«
    »Ja, seit ich wach bin, und ich bin bis zum schwarzen Vorhang gekommen.« 12
    »Wirklich? Wie zauberhaft! Oh, um nichts in der Welt würde ich dir verraten, was hinter dem schwarzen Vorhang ist! Bist du nicht ganz wild darauf?«
    »Oh! Ja, natürlich, was kann es

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