Klotz, Der Tod Und Das Absurde
ihm in dieser Nacht geschenkt
worden war. So genau wusste er das nicht, und letztendlich spielte es ja auch
keine so große Rolle. Entscheidend war, dass er seit drei Wochen kein unnötiges
Gift mehr in seinen Körper hineinpumpte.
Er blickte hinüber, auf die Museumsbrücke. Sah die Menschen, die die
Brücke überquerten, manche hastig, manche ruhig und schlendernd. Vereinzelt
hielt jemand kurz inne. Lehnte sich an die Sandsteinbrüstung und blickte hinab
ins Wasser oder auf die anheimelnde gotische Sandsteinfassade des
gegenüberliegenden Heilig-Geist-Spitals.
Er sah Paare, die Händchen hielten, sich küssten, zusammen einen
Eisbecher aßen. Und das im Januar! Das musste man sich mal vor Augen halten.
Wie würde da erst der Sommer werden?
Er dachte an Melanie, genoss die Vorfreude auf den heutigen Abend. Er
hatte Karten gekauft für die Oper, »Der Rosenkavalier«. Ja, er, Werner Klotz!
Konnte es sein, dass die zähmende Wirkung des weiblichen Geschlechts langsam
Wirkung zeigte? Sogar bei ihm, einem hoffnungslosen Fall? Er lächelte.
Plötzlich spürte er einen stechenden Schmerz in der Brust. Schob das
Stechen auf seine kaputten Lungen, aus denen sich langsam Schleim und
Schadstoffe lösten.
So. Endlich die letzte, dachte er, als er die Kapsel, die das
Antibiotikum enthielt, mit einem kräftigen Schluck Kaffee hinunterspülte.
»Herr Klotz? Darf ich mich setzen?«
Er drehte sich um und sah in ein bekanntes Gesicht. Leonie
Zangenberg hatte eine Schale Bananensplit mit viel Sahne in ihrer Hand.
Außerdem trug sie einen schwarzen Minirock und kniehohe Stiefel mit hohen Absätzen.
Banane mit Sahne, dachte Klotz und sagte: »Leonie! Schön, Sie zu sehen! Setzen
Sie sich! Wie geht’s?«
Die Sekretärin hatte gerade Mittagspause. Sie begann zu erzählen,
vom Wetter, von den Kollegen und den Genesungswünschen für den Hauptkommissar.
Außerdem hatte sie ihr Freund verlassen. Klotz, der zwar zuhörte, aber den Sinn
der Wörter nicht verstand, starrte in Leonie Zangenbergs Augen und fragte sich
zum hunderttausendsten Mal, warum diese Waffe an seinem Kopf nicht geladen
gewesen war. Hatte Zebisch alles geplant? Bis zum bitteren Ende? Hatte er
gewusst oder geahnt, was geschehen würde?
Er fing plötzlich an, heftig zu schwitzen. Die Bilder dieser
unseligen Silvesternacht schossen in sein Bewusstsein hinein. Zebisch, der
abdrückte, und Escherlich, der im selben Moment hinter der Tür hervortrat, wo
er sich verborgen gehalten hatte. Und dann der Schuss aus Escherlichs Waffe,
der Zebisch exekutierte. Der genau zwischen die Augen traf.
Wieder machte er sich Vorwürfe, dass er die Situation unterschätzt,
zu dilettantisch geplant hatte. Er erinnerte sich, wie er Escherlich noch im
Zug angerufen hatte. Ihn nach kurzer, heftiger Diskussion hatte überzeugen
können. Escherlich, der mit Fernglas und Nachtsichtgerät bewaffnet vor der
Kongresshalle gewartet hatte. Der auf das Zeichen gewartet hatte. Wie dämlich
sie beide das angestellt hatten! Sie hatten zwar ein Zeichen für den Zugriff
vereinbart – Klotz sollte sich eine Zigarette anzünden –, ein Signal für einen
eventuellen Abbruch war nicht ausgemacht worden. Glücklicherweise hatte
Escherlich die Aktion mit den Zigaretten, die Klotz weggeworfen hatte, richtig
gedeutet. Und Gott sei Dank war er dann ihm und Zebisch unauffällig gefolgt.
Hatte sich im Aufgang der Zeppelintribüne versteckt und gewartet, auf einen günstigen
Moment. Einen Moment, der leider nicht hatte kommen wollen. Nun war Zebisch tot
und hatte ein letztes Geheimnis mit sich ins Grab genommen.
Das Leben ist doch letztendlich irgendwie so was wie ein Sommertag
im Winter, dachte Klotz und bestellte sich ein Eis.
Danksagungen
Wem dankt man zuerst, zuletzt und mittendrin? Es soll sich ja
keiner auf irgendwelche Füße getreten fühlen. »Ping-Pong / Ohne Hierarchie /
Bitte oszillieren Sie!« Diese wenigen Liedzeilen der Hamburger Band
»Tocotronic« fassen zusammen, was es zu diesem Thema zu sagen gibt. So und
nicht anders ist das, was nun nachkommt, in seiner Wertigkeit zu verstehen.
Ich möchte mich bei Stephanie Kock bedanken, dafür, dass sie mich
aus der Tinte geholt hat, als ich in selbiger saß. Durch ihr selbstloses
Handeln hat sie einen erheblichen Teil des Romans, den die elektronischen
Medien ein für alle Mal dahingerafft hatten, in mühsamer Schreibarbeit
wiederhergestellt. Schuld war der Autor, der bis dato der Meinung gewesen war,
dass ungehörige Computer genauso behandelt
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