Knight 02 - Stuermisches Begehren
Vorwarnung tat er zwei Schritte auf sie zu, riss sie in die Arme und nahm ihren Mund in Besitz, bevor sie überhaupt Zeit hatte, nach Luft zu schnappen.
Die erste raue, sengende Berührung seiner Lippen ver- scheuchte jede mädchenhafte Vorstellung, die sie von den romantischen Küssen sanfter Verehrer hegen mochte. Mit der linken Hand zerwühlte er ihr Haar, mit der rechten presste er sie an sich. Er küsste sie, als wollte er sie ver- schlingen, zwängte ihr in einem Akt der Besitzergreifung die Lippen auseinander. Schwach drückte sie gegen seine Brust, worauf er mit dem Knie zwischen ihre Beine dräng- te. Stocksteif und völlig verwirrt klammerte sie sich an ihn, nur um nicht in Ohnmacht zu fallen, und ließ sich von sei- ner Hitze einhüllen. Sie versuchte sich abzuwenden, dem gefährlichen Vergnügen auszuweichen, von dem er sie kos- ten lassen wollte, doch während er mit den Händen über ih- ren Rücken strich, war es schwer, ihre Reaktion zu verber- gen, und unmöglich, dagegen anzukämpfen.
Zitternd und unsicher erlahmte sie in ihrem Widerstand, öffnete ihren Mund weiter, berührte zögernd seine Zunge mit der ihren. Lucien stöhnte auf, und sein rauer Griff wur- de sofort sanfter. Sein Kuss wurde langsamer, intensiver, und sie schmolz in seinen Armen dahin.
Nach einem langen Augenblick hielt er inne und beende- te den Kuss, doch sein schöner Mund verharrte nahe bei ihr. Er legte seine Stirn an die ihre. Sie spürte seinen schweren Atem an ihren Lippen, seine Hände auf ihren Armen.
„Und du, Alice?“ wisperte er rau. „Wer liebt dich?“
Sie hob die Lider, begegnete unsicher seinem stürmischen Blick. „Eine ganze ... ganze Menge Leute.“
„Wer?“ fragte er schroff.
„Das geht Sie gar nichts an ...“
„Ich habe dir meine Antwort gegeben, nun lass mich dei- ne hören.“
„Da ist mein Neffe ... Harry“, stammelte sie.
„Er ist ein Kind.“
„Es ist wenigstens jemand.“
„Lass mich heute Nacht zu dir kommen.“
„Sind Sie verrückt? Lassen Sie mich los!“ Sie befreite sich aus seinem Griff, wich zurück und wischte sich mit dem Handrücken über die Lippen.
Als er das sah, begannen seine Augen zornig zu funkeln. So empört blickte er drein, dass sie nicht wusste, was er als Nächstes tun würde. Er machte ihr Angst mit seiner Heftig-
keit, seinem Begehren, das in den Tiefen seiner Augen auf- flackerte. Zornbebend stand er einen Moment da, dann stelzte er an ihr vorbei zur Tür und rief den Wachmann draußen mit einem Fingerschnippen herbei.
„Bringen Sie Miss Montague sicher auf ihr Zimmer.“
„Jawohl, Mylord“, erwiderte der Mann mit einer Verbeu- gung. „Wenn Sie mir bitte folgen möchten, Miss.“
Alice schaute Lucien unsicher an. Er betrachtete sie mit einer Art feindseliger Lüsternheit, die sie bei weitem nicht so beunruhigte wie das bösartige und ziemlich bittere Lä- cheln, das um seine Lippen spielte.
„Leben Sie wohl, Mylord“, stieß sie tapfer hervor. Wenn sie Glück hatte, konnte sie diesen Ort morgen früh verlas- sen, ohne diesem Mann noch einmal begegnen zu müssen. Er schob die Hände in die Taschen, lehnte sich mit der Schulter an den Türrahmen und musterte sie. „Bis morgen, chérie.“
Sie wandte sich ab, spürte seinen brennenden Blick noch im Rücken, während sie dem Wachmann durch den Vorraum folgte. Als der schwarz gekleidete Mann die schmale Wen- deltreppe betrat, drehte sie sich kurz um. Lucien stand im- mer noch da, halb von Schatten verborgen. Sie glaubte, in seinen Augen ein berechnendes Glitzern wahrzunehmen.
Rollo Greene aus Philadelphia, in der Grotte allen als Or- pheus bekannt, tupfte sich den Schweiß vom kahlen Schä- del. Von dem vielen Wein und der Aufregung war er kurzat- mig geworden. Hoffentlich ließ ihn sein Herz in der schwü- len Hitze hier nicht im Stich. Er riss den Blick von dem nackten Mädchen los, das neben ihm herumtanzte, als Lu- cien Knight aus seinem geheimen Beobachtungsstand im Inneren des Drachens trat. Rollo hatte gesehen, wie Lucien das hübsche blauäugige Nymphchen vor kurzem davonge- tragen hatte, genau wie er vorhergesagt hatte.
Das ist ja schnell gegangen, dachte er mit einem Grinsen, während er beobachtete, wie sein Gastgeber sich wieder un- ter die Gäste mischte und lässig umherschlenderte. Rollo ärgerte sich nicht, dass es ihm selbst nicht gelungen war, dem Mädchen einen Kuss zu stehlen. Schließlich konnte er, was Frauen anging, mit einem so gut aussehenden und char- manten Mann
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