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Knight 02 - Stuermisches Begehren

Knight 02 - Stuermisches Begehren

Titel: Knight 02 - Stuermisches Begehren Kostenlos Bücher Online Lesen
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letzten Jahre vernachlässigt worden, als sich die Gesundheit des Marquis of Carnarthen rapide verschlechtert hatte, er seinen Familiensitz aber keinem Verwalter anvertrauen wollte, sondern sich um alles selbst kümmerte.
    Sie überquerten die Terrasse, wo die Beete am Rand der verwitterten Balustrade von Efeu und Goldrute überwuchert waren. Mannshohe blaue Hortensien drängten sich um die drei bemoosten Stufen, die ins Gartenparterre hinunterführ-

ten. Lucien ging hinab, und Alice folgte ihm zu einem run- den Brunnen. Zwei Tauben flogen bei ihrem Näherkommen auf. Alice blieb am Wasserbecken stehen und schaute abwe- send auf die Seerosen hinab, die wie winzige Segelboote auf dem Wasser schaukelten. Sie betrachtete sie lange, als wolle sie sie sich genau einprägen. Lucien beobachtete Alice, wäh- rend ihr der Wind in die Kleider fuhr und die Locken aufwir- belte, die unter ihrem sauberen Häubchen hervorlugten.
    Ihr rotgoldenes Haar, die blauen Augen, der elfenbeinerne Teint und die keusche, stille Gelassenheit in ihrem Gesicht erinnerten ihn an Botticellis Venus, wie sie auf ihrer Muschel dem Meer entstieg.
    „Wollen wir?“ murmelte er.
    Abwesend blickte sie auf. „Ihr Garten ist wunderschön.“ Er zuckte mit den Schultern. „Er ist verwahrlost.“
    „Ja, aber er hat eine einsame, geisterhafte Schönheit, die mir sehr gefällt. Ich wünschte, ich hätte meine Aquarellfar- ben dabei.“
    Lucien zog die Augenbrauen hoch. „Sie haben eine künst- lerische Ader, Miss Montague?“
    Sie lächelte widerstrebend. „Ich male ein bisschen, ja.“ Er lachte leise, entzückt von dieser Enthüllung. Eine Künstlerin. Natürlich! Diese wunderschönen Hände. Der aufmerksame Blick. Die Leidenschaft, die sich hinter der kühlen, sittsamen Fassade verbarg. „Womit befassen Sie sich denn am liebsten?“ fragte er, während sie an einstmals konisch gestutzten, jetzt völlig aus der Fasson geratenen Ei- ben vorüberschlenderten.
    „Porträts.“
    „Wirklich?“
    „Kohlezeichnungen sind meine Stärke, aber ich beschäfti- ge mich auch gern mit Aquarellfarben und allen möglichen Handarbeiten, mit Japanlack und feinen Stickarbeiten.“
    Abrupt drehte er sich zu ihr. „Mögen Sie die Natur? Man hat von einem Felsen hier in der Nähe eine herrliche Aus- sicht auf das Tal, die ihr Künstlerauge entzücken dürfte, aber es ist ziemlich weit dorthin – etwa eineinhalb Meilen. Fühlen Sie sich dazu in der Lage?“
    Sie nickte interessiert. „Zu Hause gehe ich auch jeden Tag spazieren.“
    „Gut! Dann kommen Sie. Ich zeige es Ihnen.“ Bemüht, sei-

ne Begeisterung im Zaum zu halten, geleitete er sie zu einer Lücke in der Buchsbaumhecke, wo zwei Moschusrosen eine Art dorniges Drehkreuz bildeten, durch das es auf gelbbrau- ne Felder und Wälder hinausging. Sie blieben stehen, um das köstliche, honigsüße Aroma der Rosen einzuatmen. Alice freute sich aufrichtig an der Schönheit der Blumen und um- fasste anmutig eine der cremeweißen Blüten. Er pflückte ei- ne Rose, brach die Dornen ab und hielt sie ihr hin. Schwei- gend nahm sie sie, musterte ihn misstrauisch und ging dann weiter. Lucien stand nur da, schaute ihr nach und betete da- rum, dass er jetzt nichts falsch machte.
    Sie schlenderten über eine Wiese, während sich die hohen goldenen Gräser zum Gesang der Lerchen und Pieper im Wind wiegten, und folgten dann dem gewundenen Pfad in den Wald. Vögel hüpften von Ast zu Ast, Blätter wirbelten vor ihnen zu Boden. Während sie zusammen durch den Wald wanderten, glitt die Zeit dahin, immer schneller, bis ihm schwindelte, wie von einem Blick in die dahinjagenden Wol- ken. Langsam, ganz langsam, begann sie sich für ihn zu er- wärmen.
    Sie lächelte ihn öfter an, während sie über dies und das plauderten und einander auf Blumen am Wegesrand und Tiere aufmerksam machten. Sie sahen Eichhörnchen in den Bäumen und Fasane im Gebüsch, und einmal kreuzte vor ih- nen ein Rudel Hirsche den schattigen Pfad.
    Bei drei verschiedenen Gelegenheiten ertappte er sie da- bei, wie sie ihn länger betrachtete, als schicklich war. Er fühlte sich wie bezaubert und unglaublich lebendig, als er sie im warmen Herbstlicht musterte, von ihrem rotgold glänzen- den Haar wie geblendet. Ihre Unschuld schlug ihn in Bann, und ihre arglose Schlichtheit tat ihm irgendwie wohl. Er fühlte sich wie ein Mann, der endlich aus seinen Fieberträu- men erwacht und ganz euphorisch bei den ersten Anzeichen wiederkehrender Kraft wird – zwar immer noch

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