Knight 02 - Stuermisches Begehren
ihr einen Kuss auf das Tal zwi- schen ihren Brüsten.
„Lucien, mir tut ohnehin schon alles weh!“ Sie packte ihn am Ohr und zog ihn wie einen frechen Schuljungen daran hoch.
„Au! Lass sofort los, du alter Drachen!“ rief er lachend.
Sie lächelte ihn an.
Er küsste sie auf die Nase, ließ von Alice ab und betrach- tete sie reuig. „Vielleicht ist es besser so – heute ist ein hek- tischer Tag.“ Seufzend stieg er aus dem Bett und trat zu dem Häufchen Kleider am Boden.
Alice riss sich vom Anblick seines herrlichen Körpers los. „Heißt das, du musst Vorbereitungen für das Fest treffen?“ Er nickte, während er seine schwarze Hose anzog.
„Wird es das letzte sein?“ fragte sie.
„Hoffentlich.“ Er streifte das Hemd über den Kopf, trat wieder ans Bett, beugte sich über sie und küsste sie. Einen Augenblick schaute er sie nur mit einem weichen Lächeln an. Liebevoll erwiderte sie seinen Blick.
„Niemals, so lange ich lebe, vergesse ich die letzte Nacht und wie schön du warst“, flüsterte er.
Bei diesen zärtlichen Worten überlief sie ein Zittern. Er küsste ihr die Hand, ließ sie widerstrebend los und brach auf. Sie drückte die Hand, die er geküsst hatte, träumerisch ans Herz und sah ihm nach. An der Tür wandte er sich noch einmal um.
„Ruh dich aus“, riet er ihr. „Du wirst dich daran gewöh- nen müssen, lang aufzubleiben.“ Er zwinkerte ihr frech zu,
ging aus dem Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
Die Wangen hochrot ob dieser liederlichen Andeutung, sank Alice seufzend aufs Bett zurück, ganz schwindlig vor Seligkeit. In überschäumender Liebe presste sie das Kissen an sich und dankte Gott für den neuen Tag, die Sonne, die Jahreszeiten, die Welt und ihn. Nach diesem herrlichen Be- ginn ging es den restlichen Tag allerdings nur noch bergab. Im Lauf des Nachmittags konnte sie förmlich spüren, wie die Spannung in der Luft stieg. Fünf Mal sagte Lucien, er habe jetzt nur noch eine Sache zu erledigen, dann könnten sie Mr. Whitby besuchen. Seine Geschäfte fraßen den Tag immer weiter auf – er ließ sie genau dann allein, als sie am verletzlichsten war und dringend Bestätigung von dem Mann gebraucht hätte, dem sie in der Nacht zuvor ihre Un- schuld geschenkt hatte.
Sie nahm auf ihrem Zimmer einen leichten Imbiss zu sich, packte ihre Sachen, damit sie gleich morgens nach Gretna Green aufbrechen konnten, machte ein Schläfchen und musste dann, als sie wieder aufgestanden war, feststellen, dass er immer noch beschäftigt war. Inzwischen war Alice zornig geworden. Sie stapfte die Treppe hinunter und frag- te Mr. Godfrey, ob er wisse, wo sie Seine Lordschaft finden könne. Bereitwillig antwortete der Butler, er halte sich in der Sporthalle auf. Mit finsterer Miene warf Alice sich den formlosen Umhang über, den sie von einem Dienstmädchen geborgt hatte, nachdem ihre Pelisse im Regen ruiniert wor- den war. Die ersten seiner ekelhaften Gäste waren schon an- gekommen, doch Alice kehrte ihnen einfach den Rücken und stolzierte hinaus zur Sporthalle.
Sie blickte in den stürmisch grauen Himmel auf. Lasst euch jetzt bloß nicht einfallen zu regnen, riet sie den Wol- ken. Ich will einfach nicht, dass diese schrecklichen Leute auch nur eine Stunde länger bleiben müssen, weil die Stra- ßen aufgeweicht sind, und ich möchte mich auf der Reise nach Gretna Green auch nicht aufhalten lassen.
Als sie an der Sporthalle ankam, riss sie die Tür auf und blieb abrupt stehen. Zu ihrer Überraschung waren die gan- zen Wachen dort versammelt, die fünf Burschen, mit denen er immer trainierte, und die meisten Lakaien. Lucien stand an der Stirnseite der Halle und gab seinen Leuten mit ener- gischer Stimme Anweisungen für den kommenden Abend.
„Die zweite Person, nach der ihr Ausschau halten müsst, ist eine russische ...“ Jäh hielt er inne, als er Alice bemerk- te, die unsicher in der Tür stand. „Was ist denn, meine Lie- be?“ In seinen Augen blitzte ein warnendes Nicht jetzt!
Sie zögerte. „Ich gehe jetzt zu Mr. Whitby“, sagte sie schließlich vorwurfsvoll. Vor all den Männern war sie ein wenig verlegen.
„Sehr schön, meine Liebe. Grüß ihn von mir.“ Er lächelte sie mechanisch an und wartete, dass sie ging.
Finster starrte sie ihn an, wirbelte herum und stürmte zur Tür hinaus. Das war einfach unerträglich!
Warum durften seine Dienstboten wissen, was hier wirk- lich vor sich ging, während sie, die sie bald Dame des Hau- ses werden sollte, keine Ahnung
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