Knochenerbe
gebeten hatte.
Das Durcheinander in der Küche war ebenso rätselhaft wie das im Wohnzimmer und warf dieselben Fragen auf. Die flachen, oberen Regalfächer in den Schränken waren in Ordnung, sie waren unberührt. Anders die tieferen Fächer unten, die man völlig auseinandergenommen hatte. Der Einbrecher hatte keinen Behälter ausgekippt oder mutwillig zerstört, aber der Inhalt der Schränke war jeweils so ausgeräumt und umhergerückt, dass es den Anschein hatte, der Schrank selbst sei Gegenstand der Durchsuchung gewesen und nicht die Jagd nach leicht transportierbarer Beute. Den hohen, schmalen Besenschrank hatte er besonders gründlich bearbeitet. Ich schaltete die Küchenbeleuchtung ein und sah mir die Rückwand des Schranks genauer an. Ja, ich hatte richtig gesehen: Das waren Messerspuren. Während ich mich bückte, um Töpfe und Pfannen wieder in die dafür vorgesehenen Regalfächer zu laden, grübelte ich über diese Spuren nach, aber mir wollte nur eine Interpretation einfallen: Der Einbrecher hatte wissen wollen, ob die Rückwand des Besenschranks nur eine Attrappe war und ob sich dahinter möglicherweise weiterer Stauraum befand. Anders ließen sich die Löcher nicht erklären, und der Einbrecher hatte nur die größeren Unterschränke in der Küche durchsucht, im Wohnzimmer hatte er nur die größeren Möbel verrückt.
„Los, denk nach, Genie!“, spornte ich mich gedanklich an. Was sagte uns das? Klar: Der Mann hatte nach etwas Großem gesucht. Gut, natürlich hätte der Einbruch auch von einer Frau verübt worden sein können, aber ich würde den Teufel tun, hier ständig „er oder sie“ zu denken, „er“ reichte im Augenblick vollkommen. Was für einen großen Gegenstand mochte Jane in ihrem Haus versteckt haben? Einen Gegenstand, den jemand anderes so gern in die Hände bekommen wollte, dass er deswegen hier einbrach? Um diese Frage beantworten zu können, musste ich erst einmal mehr wissen, und ich hatte das Gefühl, das würde schon bald der Fall sein.
Nach Abschluss der Aufräumarbeiten in der Küche kehrte ich ins Gästezimmer zurück. Hier waren jetzt, wo ich die Scherben zusammengefegt hatte, nur noch die beiden Schränke wieder in Ordnung zu bringen, die der Einbrecher geöffnet und ausgeräumt hatte. Auch hier hatte er den Inhalt der Schränke nicht zerstört, sondern nur die Schränke selbst und alles, was sich darin befand, gründlich entfernt. In einem der Schränke hatte Jane ihre Koffer aufbewahrt, die größeren hatte der Einbrecher geöffnet. Winterkleidung, Schachteln mit Bildern und Erinnerungsstücken, eine Koffernähmaschine, zwei Behälter mit Weihnachtsschmuck – langfristig hatte ich das alles durchzusehen und Entscheidungen darüber zu treffen, aber erst einmal reichte es, wenn ich es wieder zurück in die Schränke stopfte. Beim Aufhängen eines schweren Mantels fiel mir auf, dass auch hier die Rückwände bearbeitet worden waren wie die im Besenschrank in der Küche.
Im kleinen Flur mit je einer Schlafzimmertür an beiden Enden und der Badezimmertür dazwischen fand ich die Bodenluke mit der ausziehbaren Treppe. Von diesem Flur aus führte ein breiter Torbogen zurück in den Wohnraum. Inzwischen war mir klar, dass Janes Haus ein paar Quadratmeter kleiner war als mein Reihenhaus. Ein Umzug würde mir weniger Platz bringen, dafür aber größere Unabhängigkeit.
Ich hatte wenig Lust, auf den Dachboden zu klettern, wo es zweifellos sehr heiß war, wusste aber, dass es am Nachmittag noch viel heißer sein würde. Also schnappte ich mir das Seil, mit dem sich die Bodentreppe ausziehen ließ und zog. Ausgeklappt machte die Treppe einen nicht gerade vertrauenserweckenden Eindruck.
Das hatte Jane wohl auch so gesehen, wie ich schnell feststellte, nachdem ich vorsichtig die knarrenden Stufen hinaufgeklettert war. Hier oben befand sich außer Staub und Resten von Isoliermaterial, an dem sich jemand zu schaffen gemacht hatte, fast nichts. Wer auch immer Janes Haus durchsucht hatte, war auch hier oben gewesen. Hoffentlich hatte ihm hinterher anständig das Fell gejuckt! Einen Rest Teppichboden hatte der Einbrecher aufgerollt, bei einer Kommode waren die Schubladen halb herausgezogen. Relativ erleichtert kletterte ich wieder hinunter, verschloss die Bodentür und wusch mir am Waschbecken im Badezimmer Gesicht und Hände. Das Bad hatte eine angenehme Größe und einen großen, eingebauten Wäscheschrank mit einer zweiten Tür im unteren Bereich, hinter der es Platz für den
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