Knochenerbe
sie meine beste Freundin gewesen war, sondern weil sie wollte, dass zumindest ein Mensch noch lange an sie dachte. In der Hoffnung, es möge reichen, nickte ich Rideout schweigend zu.
Er schien meine Haltung zu akzeptieren. „Ich habe ja in letzter Zeit den Rasen gemäht und wollte fragen, ob ich das noch weiter tun soll, bis Sie jemanden für die Arbeit gefunden oder sonst eine Regelung getroffen haben. Ich würde es gern tun, es macht mir nichts aus.“
„Sie hatten schon so viel Mühe …“
„Nein“, unterbrach er mich eilig. „Von Mühe kann keine Rede sein. Als Jane in die Klinik musste, habe ich ihr gesagt, ich würde mich um den Garten kümmern, sie brauche sich keine Sorgen zu machen. Ich habe einen Aufsitzrasenmäher, mit dem fahre ich einfach hier rüber, wenn ich meinen Rasen mähe. Viel Unkraut gibt es nicht zu jäten, höchstens hier und da mal auf den Beeten. Für die engen Stellen, wo ich mit meiner Maschine nicht hinkomme, habe ich Janes Rasenmäher aus der Werkstatt geholt. Aber eigentlich wollte ich Ihnen etwas ganz anderes sagen: Im hinteren Garten scheint jemand gebuddelt zu haben.“
Torrance hatte mich zu meinem Wagen begleitet, während er sprach. Jetzt blieb ich stehen, den Autoschlüssel schon in der Hand. „Gebuddelt? Im hinteren Garten?“, fragte ich ungläubig. Obwohl – eigentlich war das so verwunderlich nun auch wieder nicht: Was sich in einem Haus verstecken ließ, ließ sich ebenso leicht auch vergraben.
„Ich habe die Löcher wieder aufgefüllt“, fuhr Torrance fort, „und Marcia ist tagsüber zu Hause, sie hält jetzt ein Auge auf Ihren Garten.“
Ich erzählte Torrance vom Einbruch in Janes Haus, worauf er wie erwartet überrascht und entsetzt reagierte. Er habe das zerbrochene Fenster nicht bemerkt, sagte er, als er zwei Tage zuvor zum letzten Mal den Rasen gemäht hatte.
„Ich bedanke mich ganz herzlich bei Ihnen“, sagte ich noch einmal. „Sie haben so viel getan …“
„Nein, nein!“, wehrte er ab. „Natürlich fragen wir uns, ob Sie das Haus veräußern oder selbst darin leben wollen. Jane war so lange unsere Nachbarin, irgendwie macht man sich da schon Gedanken, wie es mit jemand anderem sein wird. Man wird sich wohl erst daran gewöhnen müssen.“
„Ich habe mich noch nicht entschieden“, sagte ich, ohne genauer auf seine Frage einzugehen. Das schien Torrance Rideout zu beunruhigen.
„Sehen Sie, wir vermieten das Zimmer über unserer Garage“, erläuterte er. „Das tun wir schon seit geraumer Zeit, obwohl man in der Gegend hier eigentlich nicht vermieten darf. Jane hat nie etwas dagegen gehabt, und unseren Nachbarn auf der anderen Seite, Macon Turner, hat es nie interessiert. Kennen Sie Turner? Er gibt unsere Tageszeitung heraus. Aber wenn Janes Haus an neue Leute geht, dann wissen wir natürlich nicht …“
„Sobald ich mich entschieden habe, gebe ich Ihnen Bescheid“, sagte ich, so freundlich ich konnte.
„Schön. Sehr schön! Wir wissen das wirklich zu schätzen, und wenn Sie irgendetwas brauchen, dann wenden Sie sich ruhig an Marcia oder an mich. Ich bin während der Woche oft nicht in der Stadt, ich verkaufe Bürobedarf, ob Sie es glauben oder nicht, aber an den Wochenenden bin ich immer zu Hause und auch an einigen Nachmittagen. Aber Marcia ist immer da, wie ich schon sagte, und hilft Ihnen gern, wenn sie kann.“
„Das ist sehr freundlich“, sagte ich. „Wir können uns sicher bald einmal ausführlicher unterhalten. Noch einmal danke für alles, was Sie für den Garten getan haben.“
Endlich durfte ich gehen. Ich hielt bei Burger King, um zu Mittag zu essen, wobei es mir leid tat, nicht eins von Janes Büchern mitgenommen zu haben, um mir beim Essen die Zeit zu vertreiben. Aber eigentlich gab es genug, worüber ich nachdenken musste: die leergeräumten Schränke, die Löcher im hinteren Garten. Sewells verschleierter Hinweis, den ich so verstand, dass Jane mir ein Geheimnis hinterlassen hatte, damit ich es löste. Ich dachte daran, wie viel rein körperliche Arbeit es mit sich bringen würde, das Haus von allem, was ich nicht behalten wollte, zu räumen. Ich dachte an die Entscheidung, was aus dem Haus selbst werden sollte. Insgesamt war es eine nette Abwechslung, mich einmal nicht als ausrangierte Liebhaberin zu sehen und über das bald zu erwartende Smith-Baby zu grübeln. Über Entscheidungen nachzudenken, die ich selbst treffen konnte, war viel angenehmer, als mich wegen Lynns Schwangerschaft irgendwie betrogen zu
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