Knochenfunde
töten lag ihm nicht. Er blieb stehen und lehnte sich am Fuß des Hügels an eine Birke. Er konnte es tun. Er konnte alles tun, was er tun musste. Er hatte es bewiesen.
Aber vielleicht war es ja gar nicht nötig. Er musste einen klaren Kopf bekommen und nachdenken. Musste er es wirklich tun? Würde es ihn überhaupt zum Ziel führen? Die Situation war kritisch, aber wäre es nicht besser, nach anderen Möglichkeiten zu suchen? Jeder hatte Geheimnisse. Angenommen, er suchte und forschte so lange, bis er alles über das Leben dieser Leute wusste. Darin war er schon immer gut gewesen. Möglicherweise würde er irgendwann auf etwas stoßen, das ihm nützlich sein konnte…
Das würde allerdings dauern.
Nicht, wenn er sich mit aller verfügbaren Energie in die Aufgabe stürzte. Er bewunderte Eve Duncan. Mit ihrer Kraft und ihrer Intelligenz erinnerte sie ihn an seine Mutter. Ein paar Tage würde er noch warten können.
Boca Raton.
Drei Tage. Sich mehr Zeit zu lassen, wäre verantwortungslos. Er würde sich drei Tage Zeit lassen, um eine andere Lösung zu finden.
Dann würde er das Mädchen töten müssen.
»Ich muss mit dir reden.« Janes Stimme klang unsicher. »Hast du einen Augenblick Zeit, Eve?«
»Nein, ich habe jetzt keine Zeit, um – « Als Eve von ihrer Arbeit an dem Schädel aufblickte, sah sie, dass Jane ganz blass war. »Was ist los? Ist Toby etwas passiert?«
»Nein, Toby geht es gut.« Jane leckte sich die Lippen. »Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Erst wollte ich mit Joe darüber sprechen, aber eigentlich geht es dich an… Ich hab versucht, es wegzumachen, aber es ging nicht. Andererseits wollte ich nicht, dass du hingehst und es entdeckst – ich musste es dir einfach sagen.«
»Wovon redest du, Jane?«
»Komm mit.« Jane ging auf die Tür zu. »Du musst es dir anse hen.«
»Was denn?«
»Bonnie…«
»Was – «
Aber Jane war bereits die Verandastufen hinuntergesprungen und rannte den Weg entlang.
»Jane!«
Eve lief ihr nach, doch sie holte Jane erst ein, als sie oben auf dem Hügel war. »Warum – «
Dann sah sie es.
»Ich wusste nicht, was ich tun sollte«, sagte Jane mit zitternder Stimme. »Ich hab versucht, es wegzumachen.«
Der ganze Grabstein war mit Blut beschmiert.
Eve erschauderte. »Was hast du – Was ist hier passiert?«
»Ich weiß es nicht. Als ich heute hierher gekommen bin, um Unkraut zu jäten, war es schon so. Nein, nicht so. Ich hab es noch schlimmer gemacht. Tut mir Leid, Eve.«
»Blut.«
»Nein, ich glaube nicht. Anfangs hab ich das auch gedacht…
Aber es ist Farbe oder so was.« Sie trat auf Eve zu. »Es lässt sich nicht abwaschen.«
»Farbe?«
Jane nickte. »Jemand hat ein großen rotes X über die ganze Grabinschrift geschmiert.« Sie nahm Eves Hand. »Warum tut dir jemand so was an?«
Eve konnte sich nicht vorstellen, wer so etwas Entsetzliches tun würde. Sie fühlte sich… verwundet. »Ich weiß es nicht.« Sie konnte kaum einen klaren Gedanken fassen. »Vielleicht irgendein Jugendlicher, der sich einen Spaß daraus macht, Gräber zu schänden.« Aber nicht Bonnies Grab. Nicht ihre Bonnie. »Etwas anderes fällt mir nicht ein.«
»Den kriege ich«, sagte Jane wütend. »Vielleicht kommt er ja noch mal zurück. Ich warte hier, und wenn er auftaucht, dann kann er was erleben.«
Eve schüttelte den Kopf. »Das würde alles nur noch schlimmer machen.« Sie wandte sich ab. »Komm, lass uns zurückgehen. Vielleicht finden wir was, womit wir den Grabstein reinigen können.«
Jane folgte ihr. »Wir werden es Joe sagen, sobald er nach Hause kommt. Der kriegt ihn bestimmt.«
»Erst, wenn wir den Grabstein gesäubert haben.«
»Hast du Angst, er könnte so wütend werden, dass er dem Grabschänder was antut? Das hätte der doch verdient. Ich werde Joe helfen.«
Gott, sie wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte, dachte Eve.
Sie wusste, dass Joe ebenso heftig reagieren würde wie Jane, und sie war zu erschüttert, um den Friedensengel zu spielen. Außerdem hatte sie keine Lust, ein Friedensengel zu sein. Allmählich verwandelte sich ihr Entsetzen in Wut. Am liebsten würde sie diesem Verrückten den Hals umdrehen. Kein gutes Vorbild für Jane. Und Joe war ein ehemaliger SEAL und für ihn wäre es ein Klacks, jemandem den Hals umzudrehen. »Geh in den Schuppen und sieh nach, ob du was findest. Vielleicht ist noch ein bisschen Terpentin übrig vom letzten Jahr, als wir die Veranda gestrichen haben.«
»Probleme?«
George Capel drehte sich
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