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Knochenraub am Orinoko

Knochenraub am Orinoko

Titel: Knochenraub am Orinoko Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelie Kister
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sagen. Seine Stimme war kaum mehr als ein Hauchen. Ganz sicher hatte auch er sich zu Tode erschrocken. Raschelnd entfernte sich das Schwein im Schilf.
    »Diese verdammte Dunkelheit«, fauchte Pedro. Aber nur mithilfe der Nacht würde ihr Plan funktionieren. »Los, weiter!«
    Nur noch ein breiter Sandstreifen trennte sie vom Dorf. An seinem Ende standen in einem Halbkreis die Hütten der Indianer, umgeben von dichtem Dschungel. Pedro zählte sie flüchtig. Es mochten acht oder neun sein. Sie spähten zwischen denSchilfhalmen hinüber auf den kleinen Platz, den die Hütten bildeten.
    »Kannst du jemanden sehen?«, flüsterte Pedro.
    »Weiß nicht«, antwortete Abasi.
    »Warte hier, ich schleiche mich näher heran«, raunte Pedro ihm zu. Lautlos huschte Pedro über den Strand zu der nächstgelegenen Hütte hinüber und drängte sich dicht an die rückseitige Wand. Auf allen vieren kroch er an der Seite entlang, bis er einen freien Blick auf die Mitte des Platzes erhaschen konnte. In der Tat war das Feuer erloschen, nur noch etwas Glut leuchtete in der mit Steinen angelegten Feuerstelle. Doch was Pedro im schwachen Lichtschimmer erkennen konnte, verschlug ihm den Atem! Da saßen sie, Humboldt und Bonpland! Sie waren Rücken an Rücken an einen Pfahl gefesselt. Pedro konnte nicht sehen, ob sie wach waren. Aber die Indianer, die um die Feuerstelle herumlagen, schliefen eindeutig. Sie schienen sich ihrer Gefangenen absolut sicher zu sein.
    Pedros Herz hüpfte vor Freude, denn die Bedingungen für ihren Plan konnten nicht besser sein. Nicht im Traum hatte er zu hoffen gewagt, dass alle schliefen und sogar die Dunkelheit ihnen so hilfreich zu Diensten stand.
    Eilig kroch er zu Abasi zurück. Er hatte Mühe, seine Stimme im Zaum zu halten, als er Abasi seine Entdeckung schilderte. »Jetzt kommt es nur noch auf uns an! Mach es einfach genau so, wie wir es besprochen haben, ja?« Abasi stand stocksteif da, sodass Pedro fast verzweifelte. »Du wirst sehen, die laufen gleich alle vor Schreck in den Wald«, redete er ihm gut zu. »Nun mach schon! Wir müssen die beiden befreit haben, bevor es hell wird.« Die Dunkelheit war ihr bester Schutz, sie mussten sie ausnutzen!
    Endlich kam Bewegung in Abasi. Er holte die Trommel unter der Decke hervor und stürmte los, mitten auf den Dorfplatz zu. Pedro war froh, dass er wusste, was sich unter der Decke verbarg. Denn in der Dunkelheit sah Abasi wie ein schwarzes, kopfloses Monster aus. Schon im nächsten Augenblick hörte Pedro, wie die Knochen an Abasis Hals gespenstisch schepperten. Dann schlug das Monster Abasi wie wild auf die Trommel ein und stimmte ein entsetzliches Geheule und Geschrei an.
    Jetzt würden die Indianer jeden Moment erwachen. Nichts wie los, dachte Pedro und huschte erneut hinter den Hütten entlang, auf den Dorfplatz zu. Noch wollte er unentdeckt bleiben. Er drücktesich an der Wand entlang und spürte, wie sein Herz bis zum Hals schlug.
    Durch das Geschrei und das Getrommel waren die Indianer von ihrem Lager hochgefahren. Wie ein aufgescheuchter Ameisenhaufen liefen sie kreuz und quer und schrien laut: »Raya, Raya!«
    Auch alle Frauen und Kinder kamen aus den Hütten herausgeschossen. Es war ein einziges Durcheinander.
    Pedro nutzte die Gunst des Augenblicks, um zu den Gefangenen hinüberzurennen. In der Aufregung nahm ihn niemand wahr. Aus dem Augenwinkel sah er, wie Abasi mit seiner Trommel einen wilden Tanz aufführte und damit die Indianer von den Gefangenen ablenkte. Schon war Pedro bei Humboldt und Bonpland angelangt. Auch sie waren ganz starr vor Schreck und schienen nicht im Geringsten zu begreifen, was da vor sich ging. Als Pedro sich zu Humboldt herunterbeugte, schrie Humboldt laut auf.
    »Hilfe!«
    Doch Pedro raunte ihm zu: »Ich bin’s, Pedro!« Er sah, wie Humboldt unsicher ins Dunkle seiner Kapuze spähte und erleichtert aufatmete, als er ihn an seiner Stimme erkannte.

    »Schnell, knote mir die Fesseln auf!«, wies Humboldt ihn an.
    »Pedro?«, flüsterte Bonpland fragend.
    Pedro drehte sich flüchtig nach Bonpland um. »Ja, ich bin’s«, flüsterte er zurück. Mit fliegenden Fingern knüpfte Pedro die Schlinge auf, mit der die beiden an den Pfahl gebunden waren. »Geschafft!«, rief er erleichtert. »Und jetzt nichts wie weg hier.« Er musste Humboldt und Bonpland auf die Füße helfen, denn durch das lange Sitzen waren ihre Beine ganz steif geworden.
    Währenddessen hatte Abasi sein Trommeln und seine heulenden Gesänge fortgesetzt. Es klang

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