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Knochenraub am Orinoko

Knochenraub am Orinoko

Titel: Knochenraub am Orinoko Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelie Kister
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schauderhaft. Pedro rannte zu dem kopflosen Ungetüm, das gerade zwei flüchtenden Indianern nachsetzte. »Sie sind frei. Schnell, wir müssen abhauen!«, rief er Abasi zu und fiel dann in die wilden Tanzbewegungen mit ein, damit die Indianer glaubten, ein zweiter kopfloser Raya wäre erschienen. Das genügte, um die letzten in die Flucht zu schlagen. Die Indianer aus dem Dorf waren allesamt in den Wald geflüchtet und mit einem Mal war der Platz zwischen den Hütten wie leer gefegt, als habe sie der dunkle Dschungel verschluckt.
    »Wo ist das Boot?«, fragte Humboldt.
    »Mir nach«, rief Pedro über die Schulter zurück und rannte, so schnell er konnte, voraus. Sie kämpften sich durch das Schilf zurück, das ihnen wie Peitschenhiebe um die Ohren sauste. Erst als sie alle vier sicher in der Piroge saßen und flussabwärts ruderten, wagten sie wieder zu sprechen.

Wiedergutmachung

    »Alle Achtung!«, sagte Humboldt anerkennend. Er rieb sich die schmerzenden Handgelenke, die von den Fesseln wund gescheuert waren.
    »Auf die Idee muss man erst mal kommen!«, pflichtete Bonpland bei. Pedro merkte, wie er unter seiner schwarzen Rußschicht vor Stolz rot anlief. Er tauchte die Hand ins Wasser und versuchte, sich das Gesicht sauber zu wischen.
    »Ihr seid also die berühmt-berüchtigten kopflosen Rayas, die hier ihr Unwesen treiben«, bemerkte Humboldt mit einem unterdrückten Lachen. »Was für ein Glück, dass wir euch getroffen haben.«
    »Schade, dass Pater Zea nicht dabei war. Dann hätte er wieder herumerzählen können, wie er mit eigenen Augen diese gefährlichen Wesen gesehen hat«, sagte Pedro spöttisch. Sie lachten.
    Auch Abasi verzog sein Gesicht zu einem schiefen Grinsen. So langsam bekam er wohl ernsthafte Zweifel an der Existenz kopfloser Rayas und anderer rachsüchtiger Wesen. Dann aber meinte er nachdenklich:»Ich denke, Indianer jetzt glauben, wütende Geister von Toten gekommen.«
    Die drei blickten ihn überrascht an. Nach einer Weile fragte Pedro: »Du meinst, die haben sich nicht nur wegen der kopflosen Rayas so gefürchtet?«
    Abasi schüttelte den Kopf. »So dumm Indianer nicht sein.«
    »Hm«, brummte Bonpland. »Daran habe ich noch gar nicht gedacht. Vermutlich glauben sie wirklich, dass die Geister ihrer Toten zurückgekehrt sind, um sich an ihnen zu rächen. Sie fürchten sich vor der Rückkehr der Toten, weil wir die Skelette geraubt haben!« Dabei warf er Humboldt einen strafenden Blick zu.
    »Das hab ich nicht gewollt«, sagte Pedro kleinlaut und schaute Abasi betroffen an. »Ich wollte die Indianer, indem wir uns als kopflose Rayas verkleiden, einfach nur erschrecken. Ich wollte sie in die Flucht schlagen, um Sie beide befreien zu können.«
    Humboldt deutete auf die Gürteltierknochen, die immer noch an Abasis Hals baumelten. »Bestimmt haben sie die Knochen da für die geraubten Skelette gehalten«, bemerkte er schuldbewusst.
    »Schöne Bescherung! Und wie können wir sie nun wieder besänftigen?«, fragte Bonpland in die Runde.

    »Wir zurück zu Höhle rudern und legen Knochen wieder in Körbe. Dann Toten haben Ruhe und Seelen können auf Reisen gehen«, schlug Abasi vor.
    Pedros Gesicht hellte sich auf. »Das ist eine prima Idee, das machen wir!«
    Bonpland musterte Humboldt streng und sagte: »Das sehe ich ganz genauso. Wir müssen das Unrecht wiedergutmachen.«
    Humboldt brummelte einige unverständliche Worte. Man sah ihm an, dass ihm dieser Vorschlag missfiel.
    »Ihr Berliner Museum wird auch ohne diese Indianerknochen auskommen«, schloss Bonpland entschieden. »Los, Jungs! An die Ruder!«
    Pedro strahlte. Alles hatte noch mal ein gutes Ende genommen. Und ganz besonders freute er sich darüber, dass sie ihr Unrecht an den Indianern wiedergutmachen würden. Damit war auch Abasi zufrieden, grinsend nahm er sich eines der Ruder und zog es kraftvoll durchs Wasser. Die Toten sollten ihren Frieden finden.

Informationen zum Buch
    Mitten auf dem Atlantik wird der elfjährige Pedro als blinder Passagier auf der Pizarro entdeckt. Sein Ziel: Südamerika. Doch jetzt droht der wütende Kapitän damit, ihn ins Meer zu werfen. Zum Glück ist auch Alexander von Humboldt an Bord des Schiffes. Er rettet Pedro vor den gefräßigen Haien und nimmt ihn mit auf seine Forschungsreise. Noch ahnt Pedro nicht, dass dies erst der Anfang eines gefährlichen Abenteuers ist   …

Informationen zur Autorin
    Cornelie Kister
, geboren 1965, studierte Germanistik und Romanistik in Aachen und Berlin. Sie ist

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