Knochensplitter - Ein Alex-Delaware-Roman
Bildungsweg haben könnte.
Daraufhin brach Mom in Tränen aus.
Dad saß bloß da, schaute wütend aus der Wäsche und
machte keinerlei Anstalten, ihr ein Papiertaschentuch aus der Schachtel auf Rumleys Schreibtisch zu geben, so dass Rumley das übernehmen musste. Er stand auf, reichte Mom eines und warf Dad einen sauren Blick zu, weil er sich seinetwegen recken musste.
Rumley setzte sich wieder hin und laberte noch ein bisschen weiter.
Chance tat so, als hörte er zu, Mom schniefte, und Dad sah aus, als wollte er jemandem eine knallen. Als Rumley endlich fertig war, brachte Dad die »Spenden der Familie für Windward« zur Sprache, erwähnte Chances Leistungen in der Basketballmannschaft und verwies auf seine Zeit im Footballteam.
Zu guter Letzt einigten sich die Erwachsenen und setzten ein schmales, zufriedenes Lächeln auf. Chance kam sich vor wie eine Marionette, achtete aber darauf, dass er ernst dreinschaute (denn allzu froh zu wirken wäre gaanz schlecht gewesen).
Strafe Nummer eins: Er musste die Prüfung noch mal machen - Shapiro würde die Aufgaben extra für ihn zusammenstellen.
Strafe Nummer zwei: Kein Handy mehr in der Schule. »Vielleicht hat dieses unselige Vorkommnis positive Auswirkungen, junger Mann«, sagte Rumley. »Wir haben über ein für die ganze Schule geltendes Verbot nachgedacht.«
Da habt ihr’s, dachte Chance. Ich habe wieder mal nur euch einen Gefallen getan. Da wäre es doch bloß fair, wenn ihr mich nicht nur nicht bestraft, sondern dafür bezahlt - wie bei einer Art Beratervertrag.
So weit, so gut, einen Moment lang dachte Chance, er käme so leicht davon. Was jedoch folgte war:
Strafe Nummer drei: der Aufsatz. Chance konnte die Schreiberei nicht ausstehen, normalerweise kümmerte sich Sarabeth
um seine Aufsätze, aber bei dem hier ging das nicht, weil er ihn in der Schule schreiben musste, in Rumleys Büro.
Trotzdem noch keine große Sache.
Dann kam Strafe Nummer vier. »Weil persönliche Verantwortung ein Teil des Ganzen sein muss, Master Brandt.«
Mom und Dad pflichteten bei. Die drei kamen ihm voll Al-Qaida-mäßig.
Chance tat so, als wäre er einverstanden.
Ja, Sir, ich muss für meine Verfehlung büßen und werde das auch bereitwillig und voller Eifer tun.
Ein paar hochschulreife Vokabeln einstreuen. Dad starrte ihn an, als wollte er sagen, wen willst du veräppeln, Mann, aber Mom und Rumley wirkten schwer beeindruckt.
Rumley bewegte den Mund.
Gemeinnützige Arbeit. Ach du Scheiße.
Und hier saß er jetzt, verflixt noch mal.
Saß bereits den elften von insgesamt dreißig Abenden, die sie ihm aufgebrummt hatten, im Büro von Rettet die Marsch . In einem beschissenen, kotzefarbenen kleinen Raum mit Bildern von Enten, Käfern und was auch immer an den Wänden. Schaute durch ein schmutziges Fenster mit Blick auf den Parkplatz, auf dem niemand außer ihm und Duboff parkte. In der Ecke stapelweise Autoaufkleber, die er jedem in die Hand drücken sollte, der reinkam.
Niemand kam rein, und Duboff überließ ihn sich selber, damit er loslaufen und untersuchen konnte, inwieweit es durch die globale Erwärmung den Enten an den Arsch ging, was Vögel ins Schleudern brachte, warum Käfer große Schwänze hatten oder was auch immer.
Dreißig verfluchte Abende wie dieser, die ihm die Sommerferien versauten.
Von fünf bis zehn Uhr abends, statt nach der Schule mit Sarabeth und seinen Freunden rumzuhängen. Und das alles
bloß wegen einer gesellschaftlichen Norm , an die sich vier von fünf Leuten hielten.
Wenn das Telefon klingelte, achtete er meistens gar nicht darauf. Wenn er ranging, war immer irgendein Penner dran, der sich nach dem Weg zur Marsch erkundigte.
Geh auf die verfluchte Website, oder schau auf die Karte, du Pisser!
Er durfte keine Anrufe nach draußen führen, aber seit gestern klingelte er sich mit Sarabeth zum Handysex zusammen. Sie liebte ihn noch mehr, seit er sie bei Rumley nicht verpetzt hatte.
Er saß da. Trank einen Schluck aus seiner Dose Jolt, die inzwischen warm war. Betastete das Tütchen in seiner Hosentasche und dachte später .
Noch neunzehn Abende Hochsicherheitshaft, und allmählich kam er sich vor wie einer der Jungs von der Arischen Bruderschaft.
Noch zwei verflixte Wochen, bis er endlich frei war und seine Luther-King-Kiste machen konnte. Er warf einen Blick auf seine TAG Heuer. Neun Uhr vierundzwanzig. Noch sechsunddreißig Minuten, dann durfte er gehen.
Das Telefon klingelte.
Er achtete nicht darauf.
Es klingelte weiter,
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