Knuddelmuddel
mit möglichst viel Sonne. Sol, soleil, sun, günes, wie es so schön auf unseren Plakaten heißt. Nach dem Mond fragt keiner, dabei hat der mindestens einen ebeneso großen Einfluß auf unser Leben wie die Sonne. Manchmal fällt es mir echt schwer, da morgens in das Reisebüro zu gehen und wieder eine Reise in die Sonne zu verkaufen. Freundlich zu sein. Zu unfreundlichen Kunden. Ein wandelnder beziehungsweise sitzender Dauer-Smiley. Der lächelt, bis das Lächeln im Gesicht festfriert. Nach noch günstigeren Angeboten zu suchen, obwohl man schon ein super günstiges gefunden hat. Maxi-Leistung zu Mini-Preis.
Da – das ist auch der Walzer der Amélie, es gibt ihn zweimal auf dieser CD. Dieser hier ist die Orchesterversion. Auch schön. Anders als die erste Version, aber auch sehr schön. Beide sind schön. Ach ja. Ich lasse mich auf den Sessel fallen und schon habe ich wieder die leere Wand im Blick. Die verblichene Farbe. Die Spinnweben. Und die Spuren auf dem Parkett.
Dabei hatte der Geburtstag so gut angefangen.
Wir sind morgens zusammen aufgewacht, João ist zu einer Baustelle in Cascais gefahren und ich bin in mein Reisebüro in der Baixa gegangen. Die Kollegen haben mir einen Strauß Blumen geschenkt, einen von diesen aufwendig gebundenen Sträußen aus verschiedenen Blumen, durchsetzt und umringt von Grün, Blumen in allen Farben, ein Strauß, der sofort gute Laune macht.
Ich hatte mir den Nachmittag frei genommen und für das chinesische Fondue eingekauft. Ein chinesisches Fondue schmeckt absolut klasse, ist aber wahnsinnig aufwendig zu kochen, deswegen mache ich es nur sehr selten. Ich kann einigermaßen kochen, aber ich reiße mich nicht drum. Es ist mehr so ein für-den-Hausgebrauch-sich-täglich-durchschlagen-Kochen. Aber ich esse gerne gut, das schon. Und ein chinesisches Fondue ist die Krönung guten Essens.
Man muss Fleisch, Fisch und Geflügel in dünne Streifen schneiden, das Gemüse auch, alles ungefähr gleich groß, wegen der Garzeit, damit die Garzeit für alles so ungefähr gleich lang ist. Man muss Fleisch, Fisch und Gefügel anfrieren, dann läßt es sich besser schneiden, das ist der Trick. Und man sollte natürlich alles hübsch garnieren, weil das Auge ja bekanntlich mitisst. Farblich geschickt anordnen, ein bisschen Petersilie auf die Karotten, grün auf orange. Ein paar Salatblätter unter den Fisch, weiß auf grün. Beim Essen füllt sich jeder die Zutaten in die kleinen Körbchen und läßt sie dann in der Brühe gar ziehen, so hat man Zeit miteinander zu reden, man erzählt sich Geschichten und Anekdoten, es ist ein Essen, für das man Zeit braucht und das man genießen sollte. Und am Ende kippt man die Nudeln in die Brühe und hat die beste Brühe der Welt. Eine Explosion von Geschmack. Das ist der krönende Abschluß.
Ich habe den Tisch dekoriert, mit den dunklen Tellern aus Keramik, die wir uns zu Weihnachten geschenkt haben und habe ein paar Trockenblumen auf dem Tisch verstreut. Die Kerzenhalter aus Glas mit neuen Teelichtern bestückt. Rote Teelichter mit Rosenduft – die Packung verspricht einen romantischen Abend. Ich habe alles mit einem letzten kritischen Blick geprüft. Perfekt.
Es sah aus wie auf einem Foto in einem Kochbuch.
Wie in Schöner Wohnen, oder Martha Stewart Living oder einer ähnlichen Zeitschrift.
Wie in einer Werbebroschüre für das Restaurant eines Fünf-Sterne-Hotels oder eines Kreuzfahrtschiffes.
Es sah aus wie der Wirklichkeit gewordene Vorschlag für ein romantisches Dinner zu zweit. Was es ja auch werden sollte. Und auch geworden wäre, wenn es nach mir gegangen wäre.
Ich hörte, wie João die Tür aufschloß.
Ich wußte, jetzt würde er seine Jacke an den Garderobenständer hängen, ich hörte das Klappern der Schlüssel, als er sie in die kleine Schale unter dem Spiegel legte. Es war mir alles so vertraut, das ist das Schöne, nach drei Jahren miteinander Wohnen kennt man den anderen. Man weiß, was er tut. Man kennt seine Abneigungen, seine Vorlieben und seine Gewohnheiten. Ich genieße das Vertraute, ich bin nicht so für Überraschungen. Überraschungen sind überbewertet, wenn man mich fragt. Ich sehe auch immer wieder gerne Filme an, die ich schon kenne. Da weiß man, was man hat. Da kann man sich von Anfang an auf das Happy End freuen, da gibt es keine bösen Überraschungen.
João kam ins Wohnzimmer und ich weiß noch genau, was er anhatte. Er hatte sein graues Hemd an und den Pullover, den wir gemeinsam in unserem
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