König Artus
Veränderungen sie auf uns gekommen sind. Ein sorgloser Schreiber konnte größeren Unfug anrichten als hundert Erzähler.
Diesmal habe ich den Brief fertig bekommen.
AN CHASE – SOMERSET, 24. MÄRZ 1959
Die Landschaft wird jetzt saftig wie eine Pflaume. Alles ist am Sprießen. An den Eichen zeigt sich jene Färbung geschwollener Knospen, bevor sie grau und dann grün werden. Die Apfelblüten sind zwar noch nicht da, aber es kann nicht mehr sehr lange dauern. Wir hatten Ostwind, direkt aus Finnland und vom Weißen Meer her, und es war kalt. Dann schlug der Wind um und kam von Westen, wie in der Ode an [den Westwind] {*} , und sofort strömte die Wärme des Golfstroms ins Land. Ich bin jetzt zur Arbeit bereit, und das macht mir natürlich Angst. Muß mir die Nase zuhalten und mit den Füßen voran hineinspringen. Es hat gewissermaßen etwas Unwiderrufliches an sich. Ich nehme an, ich werde darüber hinwegkommen.
Der Mikrofilmprojektor arbeitet gut. Er steht in der tiefen Laibung meines Fensters und projiziert auf meinen Arbeitstisch. Alles in allem wird man hier in eine ferne Vergangenheit versetzt. Elaine ist auch sehr davon angetan. Diese Stimmung habe ich schon lange Zeit nicht mehr erlebt. Das 20. Jahrhundert erscheint einem ganz fern. Und in diesem Zustand möchte ich es einige Zeit halten. Raketen auf den Mond, das hat noch gefehlt! Ich frage mich, wie lange Eduard IV. sich halten kann.
Es war ein glücklicher Zufall, der mich hierher zog. Wie Sie wissen, dachte ich anfangs, es würde einige Zeit in Anspruch nehmen, bis ich mich eingewöhnt habe und ans Schreiben gehe. Aber es ist anders gekommen. Die Arbeit geht mir von der Hand, wie sie soll. Ich frage mich, warum ich so lange gebraucht habe, meinen Weg zu finden. Auf einer Wiese in Somerset ist mir die Erleuchtung gekommen, und das ist wahr gesprochen. Und Sie haben es vermutlich schon die ganze Zeit gewußt. Ich habe mir folgendes durch den Kopf gehen lassen:
»Malory schrieb diese Geschichten für seine Zeit und an sie gerichtet. Wer sie hörte, erkannte jedes Wort und verstand jede Anspielung. Nichts daran war dunkel, er schrieb die klare, gemeine Rede seiner Zeit und seines Landes. Doch das hat sich verändert – die Wörter und die Anspielungen sind nicht mehr Gemeingut, denn seither ist eine neue Sprache ins Leben getreten. Malory hat die Geschichten nicht erfunden. Er schrieb sie einfach für seine Zeit auf, und seine Zeit verstand sie.« Und plötzlich, Chase, hatte ich hier, auf seinem Heimatboden, keine Angst mehr vor Malory und werde auch nie mehr Angst vor ihm haben. Dies mindert meine Bewunderung nicht, aber es behindert mich auch nicht. Nur ich kann dieses Buch für meine Zeit schreiben. Und was den Schauplatz betrifft – der Schauplatz ist nicht eine kleine Insel inmitten eines silbernen Meeres, sondern die Welt geworden.
Und damit begannen, beinahe wie durch einen Zauber, die Worte zu strömen, in einem gezügelten, straffen, ökonomischen Englisch, ohne Akzent, nicht ortsgebunden. Ich habe kein Wort zu Papier gebracht, das nicht auf seine Allgemeinverständlichkeit abgewogen wurde. Wo meine Zeit Lücken nicht schließen kann, erweitere ich, und wo meine Zeit unwillig über Wiederholungen würde, streiche ich. Das gleiche hat Malory für seine Zeit getan. So einfach ist die Sache, und ich glaube, meine Prosa ist die beste, die ich je geschrieben habe. Ich hoffe, daß es so ist, und ich glaube es auch. Dort, wo ich auf dunkle Stellen oder auf Paradoxes stoße, lasse ich mich von der Intuition, meiner Urteilskraft und der Aufnahmefähigkeit unserer Zeit leiten.
Ich bemühe mich, das Produktionstempo zu drosseln. Ich möchte nicht, daß es ein Sturzbach wird, sondern ruhig herausfließt, jedes Wort eine Notwendigkeit, die Sätze melodisch ins Ohr dringend. Was für eine Freude! Mich plagen keine Zweifel mehr. Ich kann es schreiben, und ob ich es kann! Wollte Sie das nur wissen lassen. Und ich schreibe es ja auch, »ludly sing cucu«
AN ERO – SOMERSET, 30. MÄRZ 1959
Ich habe vergessen, wie lange es her ist, seit ich Ihnen geschrieben habe. Die Zeit verliert ihre ganze Bedeutung. Der Friede, von dem ich geträumt habe, ist da, ist Wirklichkeit, dick wie ein Stein und fühlbar, etwas zum Anfassen. Die Arbeit geht ihren gemächlichen, stetigen Gang, wie der Schritt beladener Kamele. Und ich habe so viel Freude an der Arbeit. Vielleicht kommt es von der langen Pause oder vielleicht ist es nur die Wirkung von Somerset, aber die Tricks
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