Koenig der Murgos
»Was immer das Ganze bedeuten soll, ich bin sicher, daß es sich in wenigen Minuten klä-
ren läßt.«
»Schweigt!« Der Grolim drehte sich abrupt um. Seine zwölf Begleiter marschierten mit gezückten Waffen hinter den Gefangenen her.
Agachak, der Hierarch von Rak Urga, war ein ausgemergelter Mann mit langem Bart. Er saß in einem großen, mit weinroten Behängen ausgestatteten und von vielen Fackeln hell beleuchteten Gemach auf einem thronähnlichen Sessel.
Sein Gewand war blutrot, und seine eingefallenen Augen glommen unter den buschigen Brauen. Eriond, immer noch in Ketten, saß ungerührt auf einem Hocker vor ihm, und die schlanke Priesterin stand neben ihrem Gebieter.
Sie hatte die Kapuze zurückgeworfen, und es sah aus, als spiegelten ihre Narben das Fackellicht. Triumph sprach aus ihrer grausamen Miene.
»Wer von euch ist Ussa von Sthiss Tor?« fragte der Hierarch mit hohl klingender Stimme.
Sadi trat mit tiefer Verbeugung vor. »Ich bin Ussa, Heiliger.«
»Ihr habt Euch in ernste Schwierigkeiten gebracht, Ussa«, sagte Chabat mit vor Schadenfreude fast schnurrender Stimme.
»Aber ich habe doch nichts getan!«
»Hier in Cthol Murgos sind die Dienstherren für die Misse-taten ihrer Diener verantwortlich!«
Agachaks Augen schienen sich in Sadis zu bohren, obwohl sein knochiges, weißes Gesicht unbewegt blieb. »Wir wollen beginnen. Wer tritt die Beweisführung an?«
Chabat drehte sich um und winkte einem vermummten Grolim zu, der an der Wand stand. »Sorchak wird den geistlichen Inquisitor machen, Meister«, antwortete sie. Ihr Ton verriet, daß sie die Situation völlig im Griff hatte. »Ich bin sicher, daß Ihr Euch seiner Fähigkeiten bewußt seid.«
»Ah, ja«, entgegnete Agachak mit unbewegter Stimme. »Ich hätte mir denken können, daß es Sorchak sein würde.« Seine Lippen verzogen sich ganz leicht in spöttischer Belustigung.
»Nun gut, geistlicher Inquisitor, Ihr dürft die Anklage vorbringen.«
Der schwarzgewandete Grolim trat vor und warf seine grüngefütterte Kapuze über das zerzauste Haar zurück. »Die Sache selbst ist einfach, mein Lord«, sagte er mit seiner schrillen Stimme. »Es waren Dutzende von Zeugen anwesend, deshalb kann es keinen Zweifel an der Schuld dieses jungen Schurken geben. Doch muß noch geklärt werden, wieso es zu diesem Verbrechen kam!«
»Sprecht das Urteil, großer Hierarch«, drängte Chabat. »Ich werde die Wahrheit aus diesem schmierigen Nyissaner und seinen Dienern herausquetschen!«
»Ich habe nun zwar von Schuld reden gehört, Chabat«, entgegnete Agachak, »doch weder die Anklage noch die Beweisführung gehört!«
Chabak war sichtlich leicht bestürzt. »Ich wollte Euch nur die zeitraubende Mühe einer förmlichen Verhandlung ersparen. Meister. Ich zweifle nicht an der Wahrheit von Sorchaks Worten. Ihr habt doch bisher immer meine Entscheidung in solchen Dingen anerkannt.«
»Vielleicht. Aber ich glaube, daß ich diesmal selbst urteilen sollte. Die Anklage, Sorchak«, forderte er den grünen Grolim auf. »Wessen wird dieser junge Mann beschuldigt? Ich möchte es in allen Einzelheiten hören.«
Sorchaks hervorquellende Augen wirkten plötzlich bedeu-tend weniger selbstherrlich, als spüre er Agachaks heimliche Feindseligkeit. Dann richtete er sich hoch auf. »Früh am heuti-gen Abend, gerade als unser heiligstes Ritual auf dem Altar beginnen sollte, trat dieser junge Mann ins Allerheiligste und löschte die Feuer aus. Das ist es, was er getan hat und wessen ich ihn anklage. Ich schwöre, daß er schuldig ist!«
»Absurd!« rief Sadi. »Werden die Feuer am Altar denn nicht ständig gehütet? Wie hätte dieser Junge nahe genug an sie he-rankommen können, um sie zu löschen?«
»Wie könnt Ihr wagen, das unter Eid geleistete Wort eines Torakpriesters in Zweifel zu ziehen!« rief Chabat heftig, und ihre Narben schienen sich zu verzerren. »Sorchak hat seine Schuld bezeugt, deshalb ist er schuldig. Mit dem Zweifel am Wort eines Priesters spricht man zugleich sein eigenes Todes-urteil aus!«
Agachaks eingefallene Augen wirkten verschleiert, als er sie ansah. »Ich glaube, daß ich die Beweisführung hören möchte, die Euch und den geistigen Inquisitor offenbar so erregt, Chabat«, sagte er tonlos. »Anklage und Schuld sind nicht immer dasselbe, und die Frage, die Ussa stellte, ist berechtigt!«
Eine schwache Hoffnung erwachte in Garion bei den Worten des Hierarchen. Agachak war keineswegs ahnungslos. Er wußte von Chabats Beziehung zu
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