König Mythor
Licht es befohlen hatte, schneller, als die Krone in die Höhe wuchs.
Als das Licht noch einmal erschien, brachte es die Wächter, die fortan über den Baum des Lebens wachen sollten. Dann verließ das Licht die Welt.
Noch mächtiger wurde der Baum, und als die Menschen kamen und ihre Häuser zu bauen begannen, verwehrten die Wächter ihnen den Zutritt zum Baum.
Doch dann, nach langer Zeit, als die ersten Früchte reiften, begannen die Wächter, diese zu fressen. Kein Same fiel auf die Erde, um die Kinder des Baumes sprießen zu lassen.
Dies war lange so. Menschengeschlechter kamen und gingen, und vom dunklen Rand der Welt schickte die Finsternis sich erneut an, Besitz zu ergreifen von der Welt des Lichtes. Kein zarter Same wurde vom Wind davongetrieben, um ihnen Einhalt zu gebieten.
Erst als ein Mann erschien, der Licht im Herzen und Waffen des Lichtes trug, begannen die Wächter sich zu besinnen. Und sie verschlangen nicht länger alle Früchte des Baumes. Der Same fiel auf fruchtbare Erde, und der Wille des Lichtes begann sich zu erfüllen.
*
Mythor erwachte wie aus einem tiefen Traum. Er schlug die Augen auf, doch noch hatte er die Bilder in seinem Kopf. Nur ganz langsam verebbte die Vision. Benommen stand der Sohn des Kometen da, mit einer Hand an die Wand der Baumhöhle gelehnt, in der anderen das Schwert.
Das Licht, das er geschaut hatte, konnte nur symbolhaft für den Lichtboten gewesen sein. Bruchstückhaft wurde Mythor klar, was die Vision ihm hatte sagen sollen: dass der Lebensbaum tatsächlich dazu in die Welt gesetzt worden war, um für die Fruchtbarkeit des Landes zu sorgen, wie es auch der Mythos der Leoniter aussagte, und um mit seinem Samen alles dämonische Leben auszumerzen, das nach diesem Teil der Lichtwelt griff.
Und ausgerechnet die Januffen, die als Wächter des Baumes eingesetzt worden waren, hatten dies durch ihre unermessliche Fressgier verhindert. Sie hatten sich zu Schmarotzern entwickelt und den Auftrag des Lichtboten vergessen.
Derjenige, der sie nach unendlich langer Zeit halbwegs zur Besinnung gebracht hatte, konnte nur er selbst gewesen sein. Denn Luxon trug keine Waffen des Lichtes. Mythor hatte sich selbst gesehen, wenn auch als bloßen hellen Schemen ohne Gesicht. Zwar hatten die Januffen sich mit Heißhunger wieder auf die Zapfen gestürzt, doch viele hatten sie durch ihre Raserei vom Baum geschüttelt.
Mythor starrte blicklos vor sich hin. Zu tief bewegt war er, um gleich zu sehen, dass nun keine Barriere ihn mehr daran hinderte, Einblick in die Höhle zu nehmen.
Vielleicht war nicht sie sein Ziel gewesen, sondern die Januffen. Falls der Same des Baumes nun tatsächlich in alle Winde verstreut wurde und neue Lebensbäume wachsen ließ, hatte er viel erreicht - mehr, als er sich hätte träumen lassen. Aber konnten die Dämonenpflanzen auf ihrem unaufhaltsam erscheinenden Vormarsch noch aufgehalten werden?
Und was war an ihm, das die Januffen dazu gebracht hatte, ihn zu den Früchten zu führen? Was an ihm hatte bewirkt, dass sie ihr Verhalten änderten? Wussten sie denn überhaupt, was sie taten? Hatten sie gar auf ihn gewartet?
Die Vision hatte keine Auskunft darüber gegeben, ob sie ihn als Person als etwas Besonderes akzeptierten oder nur die Wirkung seines Schwertes und des Helmes gespürt hatten, mit Sinnen, die sich menschlichem Begreifen entzogen.
Mythor atmete tief durch und schüttelte die Gedanken ab. Er sah die Höhle in ihrer ganzen Ausdehnung vor sich, und sie war leer. Nichts befand sich in ihr, doch als er sich hinhockte, konnte er sehen, dass der Boden an einigen Stellen von Stiefeln aufgekratzt worden war.
Luxon war ihm also zuvorgekommen. Die Januffen hatten ihn nicht daran gehindert, hierher zu gelangen. Also war es tatsächlich von Anfang an nur ihre Absicht gewesen, ihn zu den Außenbereichen der Krone zu drängen, wo die Baumfrüchte hingen.
Mythor hörte ein Geräusch hinter sich. Er blieb in der Hocke, drehte sich nicht um, packte den Griff des Schwertes fester. »Luxon«, sagte er. »Oder soll ich dich Arruf nennen?«
*
Er stand breitbeinig zwischen den Wülsten aus Baumrinde. Das Licht aus dem Inneren der Höhle verlieh seinen Zügen etwas fast Erhabenes. Aus braunen, unschuldig wirkenden Augen blickte er Mythor an, als dieser sich nun langsam aufrichtete und um seine Achse drehte. Braun war auch sein Haar, wenn auch durch die Sonne fast gebleicht. Luxons makellose bronzefarbene Haut schien das unwirkliche Licht aus der Höhle
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